Verantwortung tragen: Betriebsratsvorsitzende als gesellschaftliche Akteur:innen des Zusammenhalts in Zeiten der Transformation
GÖT_F_05 – Projekt des FGZ Göttingen
Zielsetzung / Fragestellung
Bei der Gestaltung der Arbeitswelt erfüllen Betriebsrät:innen eine wichtige Aufgabe, denn sie stehen als wirtschaftsdemokratische Instanz für die Beteiligung und Mitsprache der Beschäftigten in den Unternehmen. Wie Betriebsrät:innen ihr Amt ausfüllen, entscheidet mit über das Wohl heterogen zusammengesetzter Belegschaften. Welche Rolle Betriebsrät:innen für den Erhalt und die Stärkung des Zusammenhalts in Arbeitswelt und Gesellschaft spielen und inwieweit sie sich dafür verantwortlich sehen, darüber ist bisher jedoch noch nicht viel bekannt.
Das Projekt widmet sich daher den Betriebsratsvorsitzenden als Akteur:innen des Zusammenhalts, die in Zeiten der sozial-ökologischen Transformation in besonderer Weise gefordert sind. Dabei geht es erstens um die Frage, inwieweit und in welcher Form dem eigenen betriebsrätlichen Handeln und Engagement eine Zusammenhaltsswirkung zugeschrieben wird, oder anders gefragt: Inwiefern sich Betriebsräte, hier vertreten durch Betriebsratsvorsitzende, in ihrem Selbstverständnis und ihrer Praxis als Verantwortungsträger:innen für den betrieblichen oder darüber hinausgehenden gesellschaftlichen Zusammenhalt verstehen und welche Inklusionen und Exklusionen dabei sichtbar werden. Zweitens ist von Interesse, ob und wie sich Betriebsräte und ihre Vorsitzenden durch Transformationen der Wirtschafts- und Arbeitswelt aber auch Gesellschaft insgesamt herausgefordert sehen und welche Konsequenzen damit für die Herstellung sowie Aufrechterhaltung von Zusammenhalt in der Arbeitswelt verbunden sind.
Das qualitative Untersuchungsdesign des Projekts basiert im Kern auf der intensiven Befragung einer ausgewählten Gruppe von Betriebsratsvorsitzenden aus verschiedenen Branchen mittels biographisch-narrativer und problemzentrierter Interviews. Darüber hinaus kann auf bereits entwickelte Konzepte und erhobene Daten zu Betriebsratsvorsitzenden in der Metall- und Elektroindustrie einer SOFI-Studie zurückgegriffen werden. Die Untersuchung öffnet zugleich den Blick auf weitere Wirtschaftsbereiche mit vergleichsweise eher schwachen gewerkschaftlichen und betrieblichen Vertretungsstrukturen.
Thematischer Bezug zu gesellschaftlichem Zusammenhalt
Dem Betriebsrat als demokratisch gewähltes Gremium kommt eine integrierende, ordnungsstiftende und konfliktmoderierende Funktion zu, die in vielen Fällen auch praktisch wirksam wird. Das Engagement im Betriebsrat stellt, über die Grenzen des Betriebs hinaus, Anforderungen an die ganze Person. Das Projekt konzentriert sich auf die Gruppe der Betriebsratsvorsitzenden, weil diese besondere Einblicke in die Unternehmensstrukturen haben, den Betriebsrat nach innen und nach außen repräsentieren, seine Praxis in besonderer Weise prägen und in der Regel am stärksten als (betriebs-)politische Kommunikator:innen und Multiplikator:innen sichtbar werden. Zudem sind Betriebsratsvorsitzende häufig über ihren Betrieb hinaus in gewerkschaftliche oder zivilgesellschaftliche Netzwerke eingebunden. Von besonderer Bedeutung ist daher, vor welchem sozialen Hintergrund Betriebsratsvorsitzende ihr Amt und ihre Funktion ausüben, wie sie die Gesellschaft und aktuelle Herausforderungen wahrnehmen.
Aus der eigenen Forschung wissen wir bereits, dass die Zusammenhalt stiftenden oder gefährdenden Orientierungen und Praktiken von Betriebsrät:innen deutlich variieren können: Sie reichen von einer ausbalancierenden Kompromissorientierung über integrative oder exkludierende Verständnisse einer sozialen Verantwortungsgemeinschaft bis hin zur Affirmation von Pluralität oder Vorstellungen einer Dichotomie im Sinne eines konflikthaften Gegeneinanders. Im Projekt werden diese Modi des Zusammenhalts als heuristisches Instrument genutzt. Dabei geht es auch darum, diese Modi weiter auszudifferenzieren, zu präzisieren und insbesondere ein genaueres Verständnis ihrer Bedingungsfaktoren zu entwickeln.
Die im Projekt erhobene Empirie zeigt ein breites Spektrum an Zugängen der Betriebsratsvorsitzenden zum Thema sozialer Zusammenhalt und zur Reichweite der eigenen Verantwortung. Ein starker Transferbezug des Projekts ergibt sich insbesondere aus dem Dialog mit den Gewerkschaften.
Projektleiter:innen und Kontakt
Dr. Stefan Rüb
Projektmitarbeiter:innen
Dr. Milena Prekodravac
Laufzeit, Cluster und Forschungsfelder
Laufzeit:
10/2022 – 05/2024Cluster und Forschungsfelder:
- Cluster 2: Strukturen, Räume und Milieus des Zusammenhalts
- C2: Arbeits- und Lebenswelten
FGZ-interne Kooperationspartner:innen
Prof. Dr. Berthold Vogel
PD Dr. Harald Wolf
Praxispartner:innen
ver.di, NGG