Themenfeld B: Sozioökonomische Status- und Verteilungsordnungen
Fragen des gesellschaftlichen Zusammenhalts sind nicht zu trennen von den sozio-ökonomischen Status- und Verteilungsordnungen einer Gesellschaft. So sind es insbesondere die Tendenzen eines Auseinanderdriftens sozialer Gruppen – im Hinblick auf Ressourcen und Status, Einstellungen und Werte sowie soziale Netzwerke –, die den Diskurs über eine Gefährdung des gesellschaftlichen Zusammenhalts im Sinne gesellschaftlicher Spaltungen oder gar Polarisierung maßgeblich prägen. Zugleich haben wir es mit komplexen Ungleichheitsordnungen nach Geschlecht, Ethnizität, Region und ökonomischer Lage zu tun, die sich unterschiedlich überlagern und entwickeln können und unterschiedlich wahrgenommen und politisiert werden.
Themenfeld B fokussiert sich in diesem Kontext auf die zusammenhaltsgefährdenden und zusammenhaltsstiftenden Effekte von Status- und Verteilungsordnungen. Hierbei stehen vier zentrale Leitfragen im Mittelpunkt, die über alle Schwerpunkte des Themenfelds hinweg bearbeitet werden:
- 1. Was stiftet Zusammenhalt zwischen Personen beziehungsweise Gruppen ungleicher Statuspositionen?
- 2. Welche Gruppen fühlen sich in ihren Ansprüchen an Status und Teilhabe verletzt oder bedroht, wie reagieren sie auf diese Erfahrungen im Hinblick auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt und welche Formen des Zusammenhalts entwickeln sich innerhalb marginalisierter Gruppen?
- 3. Inwiefern reflektieren Handelnde die negativen Effekte, die ihr Handeln im Rahmen von Status- und Verteilungsordnungen und der sie tragenden Routinen auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt haben kann? Werden diese Effekte ignoriert und damit externalisiert? Ist Zusammenhalt demnach in bestimmten Statusgruppen (z.B. der Mittelschicht) nur auf Kosten negativer Effekte für andere soziale Gruppen möglich? Handelt es sich dabei um eine bewusste Entscheidung, um die eigene soziale Position zu stärken, oder um unbewusste Prozesse, die durch gesellschaftliche Strukturen und Routinen verstärkt werden?
4. Wie und unter welchen gesellschaftlichen Bedingungen entstehen neue Formen zusammenhaltsrelevanter Praktiken und welche Rolle spielen dabei soziale Ungleichheiten?
Schwerpunkte
Das Themenfeld setzt sich aus drei Schwerpunkten zusammen, denen jeweils mehrere Arbeitspakete zugeordnet sind.
1. Schwerpunkt: Gesellschaftliche Spaltungen: Effekte von Status- und Verteilungsordnungen auf Zusammenhalt
Im Zentrum des ersten Schwerpunkts stehen Fragen der sozialen, ökonomischen und kulturellen Spaltung von Gesellschaften und deren zusammenhaltsgefährdende Effekte.
2. Schwerpunkt: Reaktionen auf Marginalisierung
Im zweiten Schwerpunkt wollen wir diejenigen Bevölkerungsgruppen in den Blick nehmen, die im Zuge der sozialen und kulturellen Transformationen am stärksten von Statusverlusten und Marginalisierungen betroffen sind oder sich bedroht fühlen, von denen aber dennoch erwartet wird, zur Aufrechterhaltung des gesellschaftlichen Zusammenhalts beizutragen. Im Hinblick auf diese Gruppe fragen wir gezielt nach der Variabilität von deren Reaktionsweisen auf erfahrene oder befürchtete Marginalisierung.
3. Schwerpunkt: Soziale Netzwerke, Segmentationen und soziale Grenzziehungen
Im dritten Schwerpunkt werden die symbolischen, medialen und sozialen Beziehungen zwischen Statusgruppen untersucht. Eine besondere Rolle spielt hier die Frage, wie Zusammenhalt durch die Dichte der lebensweltlichen wie medialen Interaktionsordnungen sozialer Netzwerke geprägt wird, und umgekehrt, inwiefern Segmentationen zwischen Statusgruppen den gesellschaftlichen Zusammenhalt über Statusgruppen hinweg gefährden.