Themenfeld D: Kulturelle Dynamiken des Zusammenhalts
Unter zunehmender sozialer – und medial befeuerter – Korrosion scheinen kollektive Wissensbestände wie Selbst- und Weltbilder zu zersplittern und unverhandelbare Identitätskonflikte ins Zentrum sozialer und politischer Auseinandersetzungen zu rücken, die den demokratischen Zusammenhalt herausfordern.
In Themenfeld D werden Prozessdynamiken und Wechselwirkungen von materiellen Grundlagen, institutioneller Ordnung und Sozialstrukturen mit Kommunikations- und Deutungsmustern, Semantiken, Imaginationen und Diskursen untersucht. Dieses Forschungsinteresse konkretisiert sich in drei Leitfragen, die in allen vier Schwerpunkten (sh. unten) forschungsleitend sind, wenn auch in jeweils unterschiedlicher Gewichtung.
- 1. Welche Rolle spielen Welt-, Selbst- und Fremddeutungen von Gruppen und Gesellschaften bei der sozialen Konstruktion von gesellschaftlichem Zusammenhalt in ihrer sozialen Praxis?
- 2. Welchen Prozessdynamiken folgen Konflikte um Welt-, Fremd- und Selbstdeutungen und Konkurrenzverhältnisse um symbolische und materielle Güter?
- 3. Wie gelingen inklusive und kooperative Vorstellungen und Praktiken gesellschaftlichen Zusammenhalts?
Schwerpunkte
Das Themenfeld setzt sich aus vier Schwerpunkten zusammen, denen jeweils mehrere Arbeitspakete zugeordnet sind.
1. Schwerpunkt: Konflikte um Selbst- und Weltdeutungen
Der Schwerpunkt widmet sich den Prozessdynamiken gesellschaftlichen Wissens selbst: kollektiv erzeugte und vermittelte Sinnstrukturen, in denen Selbst- und Weltverständnisse, Werte, Zugehörigkeiten und Ausschlüsse verhandelt werden. Aktuelle Wandlungen kultureller Selbstverständigung fordern die Akzeptanz allgemeingültigen Wissens und gemeinsamer Werte vielfach heraus, was wiederum die epistemischen und ethischen Grundlagen von gesellschaftlichem Zusammenhalt in Frage stellt. Und vor allem sind diese Grundlagen historisch wie gegenwärtig stets Gegenstand von Konflikt und Konkurrenz. Konflikt wird dabei keineswegs normativ als per se negativ verstanden, sondern als Beschreibungskategorie für die Prozesse, in denen Sinnordnungen um Geltung und Hegemonie ringen und aus denen heraus sich diese nur weiterentwickeln können.
2. Schwerpunkt: Sozialisationsdynamiken
Unser Blick richtet sich in diesem Schwerpunkt auf die gegenwärtigen Bedingungen der Weltaneignung junger Menschen, auf ihre handlungsleitenden Orientierungen und Einstellungen, aber auch ihre alltagsweltlich hervorgebrachten und stabilisierten Narrative, Bilder und Ideologeme. Dabei spüren wir ebenso Politisierungsprozessen und -praktiken in der frühen Phase ihrer Genese nach, um Orientierungen und Einstellungen zu gesellschaftlichen Hierarchie- und Herrschaftsverhältnissen und den darin eingelassenen Konflikten und Kämpfen um symbolische und materielle Güter besser verstehen zu können.
3. Schwerpunkt: Mediatisierungsdynamiken
Angetrieben von der Etablierung und Entwicklung der digitalen Medien verändern sich kommunikative Strukturen der Gesellschaft grundlegend. Die als Mediatisierung bezeichnete ineinandergreifende Transformation von Medien und Gesellschaft, deren Dynamiken dieser Schwerpunkt untersucht, berührt nicht nur die Praktiken der Welt- und Selbstdeutung, sondern verschärft auch Deutungskämpfe und Konkurrenzverhältnisse um gesellschaftlichen Zusammenhalt. Zugleich eröffnen die digitalen Medien auch partizipative Spielräume, um inklusive und kooperative Vorstellungen von Zusammenhalt zu realisieren.
4. Schwerpunkt: Hegemoniedynamiken
Auseinandersetzungen und Aushandlungsprozesse um Weltverständnisse, Werte und Identitäten in den Prozessdynamiken gesellschaftlichen Wissens müssen stets auch vor dem Hintergrund von Dominanz- und Machtverhältnissen untersucht werden. Der vierte Schwerpunkt des Themenfelds nimmt diese spezifischen Dynamiken von Hegemonie und Gegenkultur hinsichtlich Herkunft, Bildung, Geschlecht und Sexualität konkret in den Blick. Er interessiert sich für jene Kämpfe um Selbst-, Fremd- und Weltdeutungen, mit denen Hegemonie errungen werden soll oder wird, aber auch für jene, die sich hegemonialen Ansprüchen und Realitäten konzeptuell und praktisch entgegenstellen oder diese anders aufteilen wollen.