Das Leistungsprinzip rechtfertigt bestehende gesellschaftliche Ungleichheiten. Prinzipien der Gleichheit und des Bedarfs streben dagegen an, Ungleichheiten zu verringern. Dieses Arbeitspaket erforscht den Einfluss des familiären Umfelds auf diese Gerechtigkeitsprinzipien.
Wir untersuchen die Legitimität von Status- und Verteilungsordnungen als "gerechte Ordnungen". Wir orientieren uns dabei an den Leitfragen des Themenfelds B. Unsere früheren Forschungen zur Weitergabe von Einstellungen zwischen Generationen bilden die Grundlage.
Gerechtigkeitsprinzipien beeinflussen, ob Menschen Ungleichheiten als gerecht oder ungerecht betrachten. Prinzipien wie Leistung oder Anrecht können Ungleichheiten legitimieren. Sie fördern so den Zusammenhalt zwischen Ungleichen. Prinzipien der Gleichheit und des Bedarfs stellen dagegen Ungleichheiten in Frage. Sie zielen auf eine Umverteilung zugunsten sozial Schwächerer ab.
Einstellungen zu diesen Gerechtigkeitsprinzipien werden durch die soziale Lage von Personen beeinflusst. Auch die Dynamiken gesellschaftlicher Ungleichheit und die Ausgestaltung des Wohlfahrtsstaats spielen eine Rolle. Unser Arbeitspaket untersucht die Familie als weiteren Einflussfaktor auf diese Einstellungen.
Wir betrachten die Familie als Ort der Wertebildung und als Ort, an dem Ungleichheiten zwischen Familienmitgliedern bestehen. Diese Ungleichheiten können sich in verschiedenen Gerechtigkeitsvorstellungen der Familienmitglieder widerspiegeln. Zugleich sind Familien soziale Kontexte, in denen man Zusammenhalt unter bestehenden Ungleichheiten erfährt und lebt. Dies liegt an wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen Familienmitgliedern.
Transferaktivitäten
Ein Schwerpunkt in Bezug auf den Wissenstransfer ist die Erstellung von Berichten für die Jugend- und Erwachsenenbildung.
Inhalte des Arbeitspakets
Dieses Arbeitspaket (AP) beschäftigt sich mit Gerechtigkeitsbewertungen von grundlegenden Status- und Verteilungsordnungen – etwa den Prinzipien Gleichheit, Bedarf, Leistung oder Anrecht – und trägt dadurch zur ersten Leitfrage des Themenfelds B zum Zusammenhalt zwischen Ungleichen bei, für die die Legitimität bzw. die Akzeptanz „gerechter Ordnungen“ zentral ist. Die sozialwissenschaftliche Gerechtigkeitsforschung (Social Justice Research) liefert seit vielen Jahrzehnten wichtige empirische Beiträge zur wahrgenommenen Legitimität sozialer Ungleichheiten sowie zur Legitimität von gesellschaftlicher Umverteilung. So variiert etwa die Gerechtigkeitsbewertung verschiedener Status- und Verteilungsordnungen – etwa der Prinzipien Gleichheit, Bedarf, Leistung oder Anrecht – stark zwischen sozialen Gruppen und Gesellschaften und moderiert damit die Bedeutung sozialer Ungleichheiten für den gesellschaftlichen Zusammenhalt: Ein gegebener Grad sozialer Ungleichheit mag in Kontexten, in denen Gleichheits- und Bedarfsprinzipien als gerecht bewertet werden, zusammenhaltsgefährdend wirken, in Kontexten, in denen Leistungs- und Anrechtsprinzipien als gerecht bewertet werden, hingegen nicht. Nicht nur die Diskrepanz zwischen tatsächlicher und gerechter Verteilung ist somit für Zusammenhalt wichtig, sondern auch ein hoher Grad an Übereinstimmung von grundlegenden Orientierungen in einer Gesellschaft: Vielfach werden geteilte Werte und grundlegende Orientierungen als wichtige Faktoren gesellschaftlichen Zusammenhalts beschrieben.
Während die bisherige Forschung insbesondere die Bedeutung individueller sozialer Lagen, gesellschaftlicher Ungleichheitsdynamiken oder Wohlfahrtsstaatregime als Ursachen der Unterstützung sozialer Gerechtigkeitsprinzipien fokussiert, sollen in diesem AP die Familie als Sozialisationsinstanz als auch familiale Ungleichheiten und familialer Zusammenhalt in den Blick genommen werden, die bisher wenig Beachtung in der internationalen Forschung gefunden haben. Familienmitglieder beeinflussen und bestärken sich nicht nur wechselseitig in ihren Einstellungen, Werten und Meinungen, sondern familiale Ungleichheiten etwa innerhalb von Partnerschaften oder zwischen (erwachsenen) Geschwistern prägen – so die zentrale Hypothese des AP – individuelle Unterschiede in der Unterstützung sozialer Gerechtigkeitsprinzipien.
Die Fragestellung des AP weist verschiedene thematische Überlappungen mit anderen AP auf, insbesondere innerhalb des Schwerpunkt 1 des Themenfelds B. Mit dem Fokus auf familiale Ungleichheiten schließt das AP an das frühere Projekt BIE_F_03 der ersten Förderphase an und entwickelt es thematisch im Sinne der Leitfragen des Themenfelds B zur Legitimität von Status- und Verteilungsordnungen als „gerechte Ordnungen“ weiter. Darüber hinaus nimmt das AP im Sinne der übergeordneten Thematik des demokratischen Zusammenhalts eine verbindende Rolle zwischen den AP der empirischen Ungleichheitsforschung (B_01, B_02) auf der einen Seite mit normativen Ansätzen einer verfassungsrechtlichen Perspektive (B_04) auf der anderen Seite ein.