Segmentationen von sozialen Milieus und ihre wechselseitige Bewertung
B_08 – Projekt des FGZ Bremen
Das Arbeitspaket (AP) verortet sich in Schwerpunkt 3 und möchte im Rahmen einer weiteren Mixed-Methods-Erhebung die bisherigen Daten aus dem Projekt BRE_F_03 um einen Fokus auf marginalisierte Gruppen und Migrant:innen erweitern. Das AP leistet innerhalb des Themenfelds und des Schwerpunkts einen besonderen Beitrag zu den Thematiken der Segmentation von sozialen Milieus und ihre wechselseitige Wahrnehmung. Es bietet zudem eine dezidierte Netzwerkperspektive, durch die u.a. milieuüber- greifende Kontaktmuster abgebildet werden. Soziale Milieus werden innerhalb des AP als latente Großgruppen mit ähnlichen sozialen Lagen und ähnlichen kulturellen Werten verstanden.
Aus den in der ersten Phase erhobenen 618 Mixed-Methods- Interviews zeigt sich, dass insbesondere marginalisierte Gruppen (z.B. das sogenannte prekäre Milieu) überdurch- schnittlich oft Ablehnung erfahren. Um andersherum belastbare Befunde über die Wahrnehmung genannter marginalisierter Gruppen und Menschen mit Migrationsgeschichte zu liefern, sollen weitere 200 Interviews mit dieser Personengruppe durchgeführt werden. Ziel ist es, ein umfassendes Bild über die Milieulandschaft Deutschlands zu erhalten, sowie die Dynamiken und Spannungen zwischen entgegengesetzten Milieus zu beleuchten. Hier fügt sich das AP in den Tenor der zweiten Leitfrage ein. Um Spannungen oder Polarisierungslinien zu untersuchen wird u.a. auf das Konzept der sozialen Produktionsfunktion zurückgegriffen. Diese besagt, dass Menschen sich im Laufe ihres Lebens Fähigkeiten und Werte aneignen – man könnte auch von sozialen und kulturellen Kapitalien sprechen. Anders als bei ökonomischem Kapital, können Fähigkeiten und Werte nicht einfach transformiert werden, d.h. sie sind träge und entsprechend sind Menschen daran interessiert, dass ihre Kapitalien gesellschaftlich anerkannt bleiben, um eine Entwertung und ein damit einhergehenden Anerkennungsverlust zu verhindern. Gleichzeitig sind sie auch nicht kontingent, was bedeutet, dass es zu Konkurrenz zwischen Trägergruppen kommt: Gesellschaftliche Konflikte zwischen Großgruppen sind häufig Konflikte über die Institutionalisierung spezifischer sozialer Produktionsfunktionen. Ein Beispiel für solch einen aktuellen Konflikt stellt das Thema Gendern dar (vgl. auch B_02).
Weiterführend greift das AP in diesem Sinne auch die Themen der ersten Leitfrage auf und betrachtet die Milieus sowie ihre (symbolische) Abgrenzung. Die Untersuchung der sozialen Netzwerke liefert zudem Erkenntnisse über Gelegenheitsstrukturen und analysiert, wo Personen aus unterschiedlichen Statusgruppen in Kontakt treten und Gemeinsamkeiten entdecken können, die ggf. zusammenhaltstiftende Effekte haben.
Wir greifen die Themen der dritten und vierten Leitfrage auf, indem wir marginalisierte Gruppen und Menschen mit Migrationsgeschichte betrachten, die von den Entwicklungen der zunehmenden sozialen Ungleichheit betroffen sind und in medialen Diskursen zwar viel thematisiert doch selten zu Wort kommen (Schlagwort „Bürgergeld“ oder „Migration“). Gerade die Perspektiven dieser Gruppen bezüglich Externalisierungs- und Veränderungsprozessen sollte daher mit Blick auf Zusammenhaltspraktiken miteinbezogen werden.