In unserem Arbeitspaket erforschen wir kollektive Reaktionen auf sozioökonomische Statusbedrohungen im Kontext sozialer Gruppen. Ziel ist es, zu verstehen, wie Menschen auf Statusverluste reagieren und welchen sozialen Gruppen sie sich in Folge dessen zuwenden. Die experimentelle Sozialpsychologie bildet dafür die methodische Grundlage.
Wir untersuchen Gruppenprozesse, die in Zusammenhang mit dem gesellschaftlichen Zusammenhalt stehen. Engagement in populistischen Gruppen kann beispielsweise den wahrgenommenen gesellschaftlichen Zusammenhalt reduzieren. Darüber hinaus wird analysiert, wie kollektive Handlungsfähigkeit den Zusammenhalt in diversen Gruppen fördert oder behindert.
Grundlage ist die Annahme, dass Bedrohungen des Kontrollbedürfnisses dazu führen, dass Menschen sich handlungsfähigen Gruppen anschließen. Menschen streben danach, ihre persönliche Kontrolle wiederzuerlangen. Sie finden diese Kontrolle in Gruppen, die Handlungsfähigkeit ausstrahlen. Handlungsfähigkeit und Kontrollfunktion unterscheiden sich zwischen verschiedenen sozialen Gruppen. Es stellt sich die Frage, ob populistische Gruppen Menschen mit einem hohen persönlichen Kontrollbedürfnis besonders anziehen, weil sie Zugehörigkeit und Handlungsfähigkeit versprechen.
Auf der anderen Seite, werden soziale Gruppen, die auf die Reduktion sozialer Ungleichheit zielen, möglicherweise als weniger handlungsfähig empfunden. Daher erscheinen sie weniger attraktiv um persönliche Kontrolle zurück zu gewinnen. Auch neutrale Gruppen wie Sportvereine können Kontrollbedürfnisse erfüllen, wenn sie als handlungsfähig bewertet werden. Wir stützen unsere Forschung auf sozialpsychologische Experimente und Umfragen. Diese zeigen die Zusammenhänge zwischen Bedrohungen und der Attraktivität verschiedener Gruppen.
Transferaktivitäten
Wir präsentieren unsere Ergebnisse in den Medien und bieten Fortbildungen an. Dabei arbeiten wir mit Partnern wie dem Netzwerk für Demokratie und Courage zusammen. Die Erkenntnisse sollen problemfokussierte Gruppen stärken und populistische Erzählungen entkräften. So tragen wir zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei.
Inhalte des Arbeitspakets
Unser Arbeitspaket (AP) verortet sich im Schwerpunkt 2 des Themenfelds B und zielt darauf ab, Reaktionen auf sozioökonomische Statusbedrohung auf der Ebene sozialer Gruppen zu untersuchen und ein tiefergreifendes Verständnis darüber zu erlangen, welchen sozialen Gruppen sich Personen in Folge der Bedrohung zuwenden.
Sozioökonomische Bedrohung im Sinne eines antizipierten Statusverlusts kann das Kontrollbedürfnis von unterprivilegierten Personen bedrohen. Um subjektive Kontrolle (wieder-)herzustellen, können Menschen die Mitgliedschaft in handlungsfähigen Gruppen nutzen. Als Reaktion auf die sozioökonomische Bedrohung handeln Menschen daher in Einklang mit Gruppenzielen und -normen und demonstrieren so Kontrolle. Dieser psychologische Mechanismus gruppenbasierter Kontrolle kann erklären, weshalb sozioökonomisch bedrohte Personen sich antidemokratischen und populistischen Gruppen zuwenden, vor allem dann, wenn diese Gruppen Zugehörigkeit und Handlungsfähigkeit suggerieren und damit persönliche Kontrollbedürfnisse potenziell befriedigen können. Zugehörigkeit zu einer Handlungsgruppe kommt beispielsweise im populistischen Antagonismus zwischen „wahrem“ Volk und zu bekämpfen- den korrupten Eliten zum Ausdruck. Eine mangelnde Hinwendung zu problemfokussierten Gruppen (z.B. Initiativen prekär Beschäftigter) sollte damit zusammenhängen, dass diesen Gruppen in der Regel wenig kollektive Handlungsfähigkeit zugeschrieben wird. Auch andere soziale Gruppen, welche weder populistisch agieren noch sich sozioökonomischen Problemen zuwenden („neutrale“ Gruppen, wie z.B. Sport- vereine), sollten persönliche Kontrollbedürfnisse befriedigen können, sofern sie als handlungsfähig empfunden werden.
Hinsichtlich sozialer Gruppen hängen Reaktionen auf sozioökonomische Bedrohung damit wesentlich von der wahrgenommenen kollektiven Handlungsfähigkeit einer Gruppe ab, also, ob der Gruppe autonome gemeinschaftliche Ziele, zielgerichtetes gemeinsames Handeln und tatsächliche Wirkungen auf ihre Umwelt zugeschrieben werden. In unserem Forschungsvorhaben werden wir genauer untersuchen, wie diese Gruppeneigenschaften beeinflussen, welcher Art von sozialer Gruppe (populistisch, problemfokussiert, neutral) sich Menschen in Folge einer sozioökonomischen Bedrohung zuwenden und wie dies unterschiedliche allgemeine Reaktionsformen auf sozio-ökonomische Bedrohung erklären kann (z.B. collective voice).
Kollektive Reaktionen auf sozioökonomische Bedrohung wirken sich auf den intragruppalen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt insgesamt aus. So kann beispielsweise das Engagement in einer populistischen Gruppe den wahrgenommenen Zusammenhalt innerhalb dieser Gruppe erhöhen und den wahrgenommenen Zusammenhalt in der Gesamtgesellschaft verringern (Leitfrage 2 des Themenfelds B).
Auch Leitfrage 3, die den Zusammenhang von Diversität und gesellschaftlichem Zusammenhalt analysiert, wird in diesem Forschungsvorhaben adressiert. Bisherige Studien zeigen sowohl negative als auch positive Zusammenhänge zwischen Diversität in Gruppen und deren Zusammenhalt. Wir nehmen an, dass Zusammenhalt in diversen Gruppen vor allem dann entstehen sollte, wenn die eigene Gruppe als handlungsfähig empfunden wird.