Kollektive Reaktionen auf sozioökonomische Statusbedrohung
B_06 – Projekt des FGZ Leipzig
Unser Arbeitspaket (AP) verortet sich im Schwerpunkt 2 des Themenfelds B und zielt darauf ab, Reaktionen auf sozioökonomische Statusbedrohung auf der Ebene sozialer Gruppen zu untersuchen und ein tiefergreifendes Verständnis darüber zu erlangen, welchen sozialen Gruppen sich Personen in Folge der Bedrohung zuwenden.
Sozioökonomische Bedrohung im Sinne eines antizipierten Statusverlusts kann das Kontrollbedürfnis von unterprivilegierten Personen bedrohen. Um subjektive Kontrolle (wieder-)herzustellen, können Menschen die Mitgliedschaft in handlungsfähigen Gruppen nutzen. Als Reaktion auf die sozioökonomische Bedrohung handeln Menschen daher in Einklang mit Gruppenzielen und -normen und demonstrieren so Kontrolle. Dieser psychologische Mechanismus gruppenbasierter Kontrolle kann erklären, weshalb sozioökonomisch bedrohte Personen sich antidemokratischen und populistischen Gruppen zuwenden, vor allem dann, wenn diese Gruppen Zugehörigkeit und Handlungsfähigkeit suggerieren und damit persönliche Kontrollbedürfnisse potenziell befriedigen können. Zugehörigkeit zu einer Handlungsgruppe kommt beispielsweise im populistischen Antagonismus zwischen „wahrem“ Volk und zu bekämpfen- den korrupten Eliten zum Ausdruck. Eine mangelnde Hinwendung zu problemfokussierten Gruppen (z.B. Initiativen prekär Beschäftigter) sollte damit zusammenhängen, dass diesen Gruppen in der Regel wenig kollektive Handlungsfähigkeit zugeschrieben wird. Auch andere soziale Gruppen, welche weder populistisch agieren noch sich sozioökonomischen Problemen zuwenden („neutrale“ Gruppen, wie z.B. Sport- vereine), sollten persönliche Kontrollbedürfnisse befriedigen können, sofern sie als handlungsfähig empfunden werden.
Hinsichtlich sozialer Gruppen hängen Reaktionen auf sozioökonomische Bedrohung damit wesentlich von der wahrgenommenen kollektiven Handlungsfähigkeit einer Gruppe ab, also, ob der Gruppe autonome gemeinschaftliche Ziele, zielgerichtetes gemeinsames Handeln und tatsächliche Wirkungen auf ihre Umwelt zugeschrieben werden. In unserem Forschungsvorhaben werden wir genauer untersuchen, wie diese Gruppeneigenschaften beeinflussen, welcher Art von sozialer Gruppe (populistisch, problemfokussiert, neutral) sich Menschen in Folge einer sozioökonomischen Bedrohung zuwenden und wie dies unterschiedliche allgemeine Reaktionsformen auf sozio-ökonomische Bedrohung erklären kann (z.B. collective voice).
Kollektive Reaktionen auf sozioökonomische Bedrohung wirken sich auf den intragruppalen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt insgesamt aus. So kann beispielsweise das Engagement in einer populistischen Gruppe den wahrgenommenen Zusammenhalt innerhalb dieser Gruppe erhöhen und den wahrgenommenen Zusammenhalt in der Gesamtgesellschaft verringern (Leitfrage 2 des Themenfelds B).
Auch Leitfrage 3, die den Zusammenhang von Diversität und gesellschaftlichem Zusammenhalt analysiert, wird in diesem Forschungsvorhaben adressiert. Bisherige Studien zeigen sowohl negative als auch positive Zusammenhänge zwischen Diversität in Gruppen und deren Zusammenhalt. Wir nehmen an, dass Zusammenhalt in diversen Gruppen vor allem dann entstehen sollte, wenn die eigene Gruppe als handlungsfähig empfunden wird.