Das Social Integration Paradox: Geschlechtsspezifische Formen der gesellschaftlichen Sozialintegration
B_02 – Projekt des FGZ Bremen – Projekt des FGZ Frankfurt am Main
Dieses Arbeitspaket (AP) adressiert die im Schwerpunkt „Effekte von Status- und Verteilungsordnungen auf gesellschaftlichen Zusammenhalt“ zentralen Fragen nach (1) gesellschaftlichem Zusammenhalt unter Ungleichen, den Männer und Frauen im Haushalts- und Erwerbskontext reproduzieren, und (2) dem Spannungsverhältnis von Anspruch und Wirklichkeit durch die Diskrepanz zwischen dem normativen Anspruch auf Geschlechteregalität und der familialen Alltagspraxis. Es nutzt die Längsschnittdaten des Zusammenhaltspanels (German Social Cohesion Panel), um ein bislang kaum verstandenes Paradox des gesellschaftlichen Zusammenhalts unter Ungleichen zu adressieren: Frauen sind im Vergleich zu Männern nach wie vor nicht gleichwertig über ihre Erwerbstätigkeit gesellschaftlich integriert, obwohl Erwerbsarbeit Dreh- und Angelpunkt der Sozialintegration in Gegenwartsgesellschaften ist. Dennoch berichten Frauen vielfach über ein höheres Maß an Sozialintegration als Männer, speziell wenn es um „weiche“ bzw. „latente“ Indikatoren geht. Paradox ist diese Situation, da die Erwerbsarbeit neben den manifesten (Sicherung des Lebensunterhalts) gerade auch die latenten sozialen Integrationseffekte (u.a. Zeitstruktur, soziale Kontakte, kollektive Ziele, sozialer Status, Identität und Antrieb) generiert.
Unsere Fragestellungen lauten:
- Welche Rolle nehmen internalisierte gesellschaftliche Gendernormen von Männern und Frauen für die Entstehung des Social Integration Paradox ein?
- Welche Dynamiken ergeben sich hier im Zeitverlauf?
- Wie lassen sich Genderideologien, definiert als „widely taken-for-granted cultural beliefs about the essential natures and relative worth of men and women“ und Geschlechterarrangements in der Lebensführung gesellschaftlicher Gruppen (migrantische Gruppen, soziale Milieus) verorten?
Frauen besetzen im Erwerbssystem Positionen, die weniger soziales Integrationspotenzial bieten. Zudem sind sie über den Lebensverlauf hinweg weniger häufig und in geringerem Umfang erwerbstätig. Dennoch schätzen Frauen ihre Sozialintegration höher ein als Männer. Sie haben mehr soziale Kontakte und berichten von besseren formellen und informellen Unterstützungsstrukturen. Darüber hinaus scheint die Sozialintegration von Frauen weniger durch disruptive Ereignisse im Erwerbskontext, wie z.B. Arbeitsplatzverlust, geschwächt zu werden als die der Männer, was offenbar über internalisierte geschlechtsspezifische Normen vermittelt wird. Konkurrierende internalisierte Genderideologien scheinen daher zentral zum Verständnis dieser Dynamiken im Kontext von Paarbeziehungen zu sein. Diese sind aktuell jedoch gesellschaftlich stark umkämpft und variieren deutlich zwischen sozialen Gruppen, sodass unklar ist, warum sich einige gesellschaftlichen Gruppen hier anders orientieren als andere.