D_04 Jugend als Generation Krise? Sozialisation in Konflikten und Transformationen

Standorte:

Bielefeld, Bremen, Halle, Konstanz, Leipzig

Fachdisziplinen:

Erziehungswissenschaft , Soziologie , Verwaltungswissenschaften , Bildungswissenschaften , Kommunikations- und Medienwissenschaften , Politikwissenschaft , Kulturwissenschaften

Gehört zu:

Abstract

Gesellschaftlicher Zusammenhalt ist unauflösbar mit Jugendlichen und jungen Generationen verbunden. Ihr Aufwachsen ist geprägt durch globale, nationale und regionale Konflikte und Transformationen. Das Arbeitspaket erkundet, wie darin krisenhafte Erfahrungen von Zusammenhalt in Erscheinung treten. Wie prägen sie die politischen Orientierungen junger Menschen? Und wie beeinflussen sie das Verhältnis der Generationen insgesamt?

Die Auseinandersetzungen um Großthemen wie Migration, Klima, Geschlechterverhältnisse oder Kriege sind politisch polarisiert. Jugendliche erleben gesellschaftlichen Zusammenhalt vielfach als krisenförmig und scheiteranfällig. Das Zusammenleben ist geprägt durch Unsicherheiten, politische Instabilitäten und sich verschärfende Ungleichheits- und Verteilungskonflikte. Sozialisationsprozesse der heutigen Jugendgeneration werden verständlich, wenn man sie in diesem Licht betrachtet.

Aktuell spielt die Perspektive von Jugendlichen in der Diskussion um gesellschaftlichen Zusammenhalt nur eine randständige Rolle. Junge Menschen gelten oft als ‚Gefährdende‘ des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Das Arbeitspaket will ein differenziertes Bild von Jugendlichen zeichnen. Es geht darum, ihre Rolle als Akteure in Krisenauseinandersetzungen zu verstehen: Wie nehmen Jugendliche ökonomische Konflikte wahr? Wie interpretieren sie ökologische Konflikte? An welchen sozialen Transformationen orientieren sie ihr Handeln? Wie strukturieren Familien, Medien, Organisationen und Peergroups diese Sozialisationsprozesse? Und wie verändern und verfestigen sich politische Orientierungen und Zukunftsvorstellungen zu gesellschaftlichem Zusammenhalt?


Transferaktivitäten

Das Arbeitspaket steht im Austausch mit Jugendlichen und Jugendorganisationen. Ziel ist es damit auch, die Bedeutung von Jugendlichen in der öffentlichen Debatte zu stärken.


 D_03 - Rassistischer Westen und antisemitischer Rest?

⇨  D_05 - Demokratische und antidemokratische Politisierungstypen im französischen Politikunterricht

Das Arbeitspaket (AP) arbeitet ein grundlagen- wie wissenstransferbezogenes Profil für den Zusammenhang von Jugend und gesellschaftlichem Zusammenhalt heraus und legt für den Schwerpunkt 2 zentrale Sozialisationsdynamiken in der jugendkulturellen Produktion und Reproduktion gesellschaftlichen Zusammenhalts frei. Es fokussiert Jugendliche als Akteure und generationale Einheit(en) und untersucht ihre alltagskulturell (re-)produzierten Orientierungen, Mentalitäten und Handlungspraktiken in Zeiten gesellschaftlicher Krisen, kultureller Konflikte und globaler Transformationen. 

In der gegenwärtigen Forschungsdiskussion zur politischen Sozialisation Jugendlicher und junger Menschen wird auf Unzufriedenheit sowie die Fragilität und Uneindeutigkeit in der Zustimmung für eine demokratisch-deliberative Zusammenhaltsordnung – und damit auch für eine Konzeption „demokratischen Zusammenhalts“ – hingewiesen. Jugendstudien indizieren, dass mit dem Vorliegen populistischer Haltungen, ebenso wie aufgrund zunehmend selbstorganisierter Formen der Politisierung oder auch apathischer Positionierungen, sich eine ambivalente Erfahrung der gegenwärtigen Ordnung des Zusammenlebens von Jugendlichen in Verhältnissen kumulierter Unsicherheit dokumentiert. Das zeigt sich nicht nur eingängig in jüngeren Wahlergebnissen, sondern auch auf der grundsätzlicheren Ebene der (politischen) Alltagskultur in formellen (u.a. Familie und Schule) wie informellen Kontexten der Politisierung (u.a. Social Media und selbstorganisierten Gruppen).  

In diesen Kontexten verhandeln Jugendliche alltagsweltlich politische Erfahrungen mit diskursiven Konfliktarenen wie Migration, Klimaschutz oder Geschlechterverhältnissen, in denen um symbolische und materielle Güter gerungen und politische Dispositionen der Selbst- und Weltdeutung hervorgebracht werden, die sich biographisch verfestigen oder im Kontext historischer oder biographischer Ereignisse und Erfahrungen infrage gestellt und transformiert werden können. Um die handlungsleitenden Deutungen der jugendkulturell vermittelten, gesellschaftspolitischen Arenen auszuleuchten, werden im AP drei Achsen der Beobachtung miteinander verknüpft, die sich in die folgenden leitenden Forschungsfragen übersetzen: Wie wirken sich Krisen und Konflikte auf politische Orientierungen zum gesellschaftlichen Zusammenhalt aus und inwiefern induzieren diese einen Wertewandel bzw. Generationenkonflikte? Wie werden mediale Sozialisationskontexte als politische Orientierungsräume relevant und wirken sie sich auf gesellschaftlichen Zusammenhalt aus? Welche politischen Orientierungen und Vorstellungen gesellschaftlichen Zusammenhalts liegen jugendspezifischen Handlungspraktiken sowie dem Engagement Jugendlicher in unterschiedlichen Organisationsformen zugrunde und welche Wechselwirkungen zwischen ihnen werden sichtbar? 

Ullrich Bauer und Baris Ertugrul arbeiten dafür familiale Dynamiken der politischen Sozialisation Jugendlicher heraus und beobachten hierzu zwei, in der gesellschaftstheoretischen Forschungsdiskussion thematisierte, sozio-moralische Großmilieus, die sich in (gesellschafts-)politischen Konfliktfragen generisch traditionalistisch oder universalistisch positionieren. Fokussiert wird dabei, wie Jugendliche in Abhängigkeit von ihren milieuspezifischen Erfahrungs­räumen diese politische und polarisierte Öffentlichkeit wahrnehmen und Elemente daraus in ihre gesellschaftlichen Deutungsmuster integrieren. Der analytische Schwerpunkt liegt dabei auf den Vollzugslogiken generationaler Transmissions- und Transformationsprozesse in Familien auf der Mikroebene, worüber makrologische Skalierungen zu gesellschaftlichen Wandlungsprozessen (unter Einbezug der quantitativen Jugendpaneldaten, s.u.) ermöglicht werden sollen. 

Das Teilvorhaben von Holger Backhaus-Maul, Jörg Dinkelaker und Cathleen Grunert fragt vertiefend, welche gesellschaftlichen Ordnungs- und Partizipationsvorstellungen in engagementbezogenen Handlungspraktiken Jugendlicher angesichts der sozial-ökologischen Krise und gesellschaftlicher Transformationsdynamiken zum Ausdruck kommen. Besondere Aufmerksamkeit finden dabei intra- und intergenerationale Auseinandersetzungen über Vorstellungen von gesellschaftlichem Zusammenhalt und sozial-ökologischen Transformationspfade in ausgewählten Regionen (vgl. Regionalpanel B_08). 

Isabell Otto geht mit Meike Hein der Frage nach, wie sich in den Interaktionen auf Social Media medienkulturelle Formen herausbilden, mit denen sich jugendliche User:innen über generationalen Zusammenhalt verständigen und gesellschaftliche Transformationen bearbeiten. Im Mittelpunkt stehen dabei nicht nur die zirkulierenden Inhalte, sondern auch das praktische Wissen bzw. die Media Literacy, die Jugendlichen in den Plattform-Ökonomien Reichweite und Teilhabe verspricht. Gefragt wird ferner, wie sozialisatorisch wirksame Orte (familiäre Wohnräume oder Schulen) und Akteur:innen (wie Jugendliche, Eltern oder Lehrer:innen) in Social-Media-Beiträgen (bewegt-)bildlich in Szene gesetzt, mit spezifischen Begrifflichkeiten diskursiv hervorgebracht und wie auf diese Weise jugendkulturelle Verhandlungsweisen von Zusammenhalt, Abgrenzung und Zugehörigkeit kenntlich werden. Darin wird auch der Einfluss popkultureller Elemente und filmkultureller Traditionslinien für ihre Selbstinszenierungen beleuchtet. 

Sonja Ganguin und Johannes Gemkow bearbeiten empirisch die grundlegende Frage, welche Formen und Praktiken des Zusammenhalts in und durch soziale Medien erzeugt und wie mediale Sozialisationskontexte als politische Orientierungsräume relevant werden. 

Andreas Klee wendet sich im AP potenziellen Orten der politischen Teilhabe von Jugendlichen zu, an denen Erfahrungen von politischer Selbstwirksamkeit zur Disposition stehen. 

Gert Pickel untersucht politischen Wertewandel im intra-und intergenerationalen Vergleich und begleitet dafür insbesondere die methodische Entwicklung eines quantitativen Instruments zur Messung von Einstellungen.

Principal Investigators

Projektmitarbeiter:innen

Laufzeit, Themen- und Forschungsfelder

Laufzeit:

06/2024-05/2029

Hamburg
betahaus Eifflerstraße 43 22769 Hamburg

Zusammenhalt und Polarisierungsdynamiken in sozialen Medien. Querschnittstagung von Themenfeld A, B und D

Soziale Medien stehen im Verdacht, gesellschaftliche Polarisierung zu verstärken. Ihre algorithmengetriebene Aufmerksamkeitsökonomie belohnt Zuspitzung und Empörung statt Verständigung, während fehlende journalistische Kontrolle Desinformation begünstigt. Diese Entwicklungen fordern demokratische Gesellschaften und deren Zusammenhalt heraus. Die Querschnittstagung vereint wissenschaftliche und praktische Perspektiven, um Handlungsspielräume auszuloten und Impulse für zukünftige Forschung und Interventionen zu geben.
Franckesche Stiftungen

‚Jugend(en) im Spannungsfeld von Normativität(en) und Normalität(en)‘

In der Jugendforschung ist es inzwischen üblich, von „Jugenden“ statt „Jugend“ zu sprechen. Diese sprachliche Verschiebung trägt der Vielfalt jugendlicher Lebenswelten und ihrer pluralen Erscheinungsformen Rechnung. Doch mit der bloßen Umstellung von Singular auf Plural ist es nicht getan: Eine systematische Auseinandersetzung mit den zugrundeliegenden hegemonialen Normierungen und Normativitäten von Jugend fehlt bislang weitgehend – trotz des verbreiteten Verweises auf Pluralität und Heterogenität. Ein zentrales Beispiel hierfür ist das Konzept von Jugend als Moratorium, einer Zeit der kulturellen und bildungsbezogenen Selbstentfaltung. Dieses Konzept besitzt eine normative Kraft, die weit über die Gesellschaften hinausreicht, für die es ursprünglich gedacht war. Es prägt transnationale Normierungsprozesse und transportiert eurozentrische Vorstellungen von Normalität, die jedoch aus einer transnationalen Perspektive kritisch hinterfragt werden müssen. So macht der Blick auf andere gesellschaftliche Kontexte differente Normativitäten sichtbar und eröffnet neue Perspektiven.
Berlin
Berlin

Governance in der Freien Wohlfahrtspflege

Die Freie Wohlfahrtspflege ist mir ihren sechs Spitzenverbänden und mittlerweile über 2,2 Mio. Beschäftigten ein systemrelevanter gesellschaftlicher Akteur, dessen Potenziale bisweilen unausgeschöpft zu sein scheinen. Ist die Governance der Freien Wohlfahrtspflege noch zeitgemäß, veränderungsbedürftig und hinreichend innovativ?

Praxispartner:innen

  • Deutscher Bundesjugendring e.V.
  • Internationales Begegnungszentrum Friedenshaus Bielefeld e.V.
  • Landesinstitut für Schule Bremen
  • Bundesverband Soziokultur e.V.
  • Theater der Jungen Welt Leipzig
  • Binational School of Education (Konstanz)
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