Milieu und soziale Ungleichheiten
Das Forschungsfeld Milieu und soziale Ungleichheiten widmet sich einer wichtigen Leitfrage des Clusters: Wie fordern Ungleichheitsentwicklungen den gesellschaftlichen Zusammenhalt heraus?
Projekt FRA_F_05 untersucht, wie ökonomische Ungleichheiten wahrgenommen werden und sich auf Einstellungen zu Fragen des gesellschaftlichen Zusammenhalts auswirken. Während ökonomische Ungleichheiten im Verlauf der letzten Jahrzehnte in Deutschland, wie in den meisten Ländern der Welt, zugenommen haben, stehen auf der anderen Seite Ungleichheiten nach Geschlecht (FRA_F_02), Ethnizität oder anderen zugeschriebenen Merkmalen (BIE_F_08) unter einem wachsenden normativen Legitimationsdruck. Damit gehen unterschiedliche Erfahrungen von Status- und Anerkennungsverlusten und -gewinnen einher. Eine Reihe von Projekten geht der komplexen Beziehung zwischen ökonomischen Ungleichheiten, kulturellen Einstellungsmustern und Praktiken populistischer Mobilisierung nach. Im Projekt FRA_F_02 werden milieuspezifische Geschlechterarrangements in diesem Spannungsfeld untersucht, während im Projekt LEI_F_06 verschiedene Einstellungsbereiche auf die vielfach postulierte Konfliktachse zwischen Kommunitarismus vs. Kosmopolitismus hin überprüft werden. Im Hinblick auf das Erstarken von rechtspopulistischen Bewegungen fragen auch die Projekte LEI_F_07 und LEI_F_08 nach der Rolle, die soziale Ungleichheiten, aber auch autoritäre Dispositionen und kulturelle und religiöse Orientierungen dabei spielen.
Formen und Praktiken des sozialen Zusammenhalts
Die Bielefelder Projekte in diesem Forschungsfeld vertiefen und weiten diese Perspektive in Hinblick auf die Rolle, die der Schule (BIE_F_09), den peers (BIE_F_07) sowie dem familialen Elternhaus (BIE_F_03) als prägende sozialisatorische Instanzen für Einstellungen und Praktiken des Zusammenhalts zukommen. Aus einer milieutheoretischen Perspektive werden in den Projekten BRE_F_01, BRE_F_02 / GÖT_F_01 und BRE_F_03 die milieuspezifisch unterschiedlichen Formen und Praktiken des sozialen Zusammenhalts herausgearbeitet. Unter sozialen Milieus verstehen wir gesellschaftliche Großgruppen, die sich im Hinblick auf ihre sozioökonomischen Lebenslagen und kulturellen Lebensziele, Lebensstile und Muster der Lebensführung ähneln (Hradil 1987; Vester et al. 2001). Das Konzept sozialer Milieus eignet sich damit besonders, um das Zusammenspiel von vertikalen sozialen Ungleichheiten und kulturellen Werteunterschieden zu erfassen, bis hin zu politischen Orientierungen (Vehrkamp / Wegschaider 2017). Dabei rücken wir die verschiedenen Milieus der Mittelschichten besonders ins Zentrum, untersuchen diese aber auch im Vergleich zu Milieus der Unter- und Oberschichten. Zum einen sollen die jeweils milieuspezifischen Formen des sozialen Zusammenhalts (die beispielsweise stärker auf Basis geteilter Gruppennormen und gepflegter Traditionen oder stärker auf individuellen Freiheits- und Entfaltungsspielräumen basieren können) herausgearbeitet werden. Zum anderen gilt es, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zwischen sozialen Milieus im Spannungsfeld von Abgrenzungen und Konflikt einerseits, verbindenden Interaktionen und wechselseitigen Arrangements andererseits zu untersuchen. Projekt BRE_F_03 analysiert daher mithilfe von Netzwerkmethoden, wie stark soziale Milieus sich gegeneinander abschotten oder in Stadtteilen, Betrieben und Organisationen in Kontakt kommen und was sie übereinander wissen und denken. Insgesamt fragen die Projekte des Forschungsfeldes nach Hegemoniekonflikten zwischen milieuspezifischen Modellen des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Die damit zusammenhängenden praktischen Überlegungen, wie Verständigung zwischen sozialen Milieus möglich ist, wodurch sie blockiert wird und wie sie gefördert werden kann, sind Gegenstand des Transferprojekts BRE_T_01, das eng mit diesen Forschungen verknüpft sind. Als Datenbasis dienen uns dabei insbesondere das Zusammenhaltspanel sowie das qualitative Haushaltspanel (BRE_F_02 und GÖT_F_01).
Hier finden Sie eine Liste aller Forschungs- und Transferprojekte.