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Erinnerungspolitiken und Erinnerungskulturen

Gegenstand des Forschungsfelds ist die Rolle von Erinnerungskulturen bei der Herstellung gesellschaftlichen Zusammenhalts.

Ganz diverse, teilweise sich diametral gegenüberstehende Konzepte von Zusammenhalt bedienen sich der Erinnerung an Vergangenes nicht nur, sie sind auch selbst Ergebnis dieser Erinnerung. Dementsprechend entzündet sich der Streit zwischen diesen Zusammenhaltsvorstellungen auch immer wieder an der Vergangenheit. Erinnerungskulturen beeinflussen gesellschaftlichen Zusammenhalt zudem in vermittelter Form – sie reproduzieren Machtverhältnisse oder stellen sie in Frage, sie prägen kollektive Fremd- und Selbstbilder und den Umgang mit gesellschaftlich marginalisierten Gruppen. Dazu gehört in Deutschland die Auseinandersetzung zwischen dem etablierten und staatstragenden Bekenntnis zur NS-Erinnerung einerseits und neuerlichen Schlussstrichforderungen andererseits. Dazu gehören aber auch jene zwischen Ost und West oder migrantischer und nichtmigrantischer Bevölkerung verlaufenden, von Verletzungen und Ausgrenzungserfahrungen geprägten Risse in dem, was gemeinhin als „kollektives Gedächtnis“ bezeichnet wird.

Der Eindruck des gesamtgesellschaftlichen Desinteresses an der „anderen“ Geschichte untergräbt das Gefühl gesellschaftlichen Zusammenhalts bei denen, deren Geschichte(n) nicht dazu zu zählen scheinen. Vergleichbare Entwicklungen lassen sich für die erinnerungskulturellen und erinnerungspolitischen Konstellationen in den anderen im Cluster 3 untersuchten Gesellschaften beobachten und damit sowohl synchron als auch diachron vergleichen. Das Forschungsfeld Erinnerungspolitiken und Erinnerungskulturen untersucht sowohl Funktionen und Wirkungen kollektiven Erinnerns mit Blick auf die Situation nach der deutschen Vereinigung 1990 im Ost-West-Vergleich und auf das Beziehungsgeflecht zwischen Zusammenhalt und Ressentiment in Krisenzeiten (BER_F_01), als auch den Wandel der Erinnerung an Nationalsozialismus und Holocaust in der postmigrantischen Gesellschaft (BER_F_03, BIE_F_05).

Europäische Erinnerungspolitiken

Das Projekt JEN_F_02 beschäftigt sich mit Formen der Relativierung und des Revisionismus der Geschichte des Nationalsozialismus und der Shoah in Deutschland nach 1990. Im Vergleich dieser Projekte mit jenen zu anderen europäischen und nichteuropäischen Gesellschaften wird untersucht, wie verschiedene Krisenerfahrungen der Vergangenheit (von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und dem Zivilisationsbruch des Holocaust über die Prozesse der Dekolonisierung bis zu den jüngeren Erfahrungen der Transformation nach 1989) erinnerungskulturell aufgeladen und erinnerungspolitisch vielfältig instrumentalisiert werden. Dies kann besonders im europäischen Vergleich (LEI_F_11) herausgearbeitet werden, wenn die Erinnerungspolitiken etwa der Bundesrepublik und Frankreichs (LEI_F_10) oder verschiedener Länder Ostmitteleuropas (LEI_F_14) miteinander kontrastiert werden, bildet aber auch eine wichtige Problemstellung für die Untersuchung von Erzählungen über die Bewältigung von Krisensituationen (KON_T_03).

Gegenüber einer isolierten Betrachtung einzelner Elemente des kollektiven und kulturellen Gedächtnisses bietet die gemeinsame Untersuchung verschiedener Erinnerungsstränge (auch im Ländervergleich) die Möglichkeit zu weiterführenden Schlussfolgerungen und zu einem Beitrag für die Theoriebildung zur Mobilisierung von Erinnerung in Krisen des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Zugleich wird als Transferaufgabe in einer zunehmend von Mobilität gekennzeichneten Gesellschaft die Beachtung der unterschiedlichen erinnerungskulturellen Voraussetzungen ihrer Mitglieder deutlich. Hieran schließen drei Transfervorhaben an: ein Online-Portal, das in Narrativen der Nachwendezeit und der Willkommenskultur biographische Erzählungen von Zusammenhalt, Solidarität, Konflikt und Krise dokumentiert (BER_T_01 und KON_T_03), ein Fortbildungsprogramm für Integrationsbeauftragte (KON_T_02) und das Jahrbuch kritische Rechtsextremismusforschung / Jahrbuch für Rechtsradikalismusforschung, an dem Projektleiter*innen mehrerer Standorte des FGZ als Mitherausgeber*innen mitwirken (JEN_T_02). Von den Ergebnissen dieses Forschungsfeldes können ebenso projektübergreifende Ratschläge für die Neugestaltung von Schullehrplänen, Lehrer*innenausbildung und politischer Bildung erwartet werden (vgl. hierzu die Transfervorhaben von BIE_F_05).

Hier finden Sie eine Liste aller Forschungs- und Transferprojekte.

BER_F_01
Zusammenhalt und Ressentiment in Krisenzeiten: Erinnerungen an die Wende- und Nachwende-Zeit im Ost-West-Vergleich
» Projektbeschreibung
HAN_F_04
Zivilgesellschaftliche Verantwortungsübernahme für gesellschaftlichen Zusammenhalt „vor Ort“
» Projektbeschreibung