Die neue Affinität zu Putins Russland in Ostmitteleuropa
LEI_F_14 – Leipzig
Zielsetzung / Fragestellung
Das Projekt LEI_F_14: Die neue Affinität zu Putins Russland in Ostmitteleuropa untersucht, wie die signifikanten Erfolge des Populismus in den Gesellschaften Ostmitteleuropas mit jenen Veränderungen der geopolitischen in Zusammenhang stehen, die sich aus den wirtschaftlichen, diplomatischen, kulturellen und politischen Aktivitäten Russlands unter Präsident Putin ergeben. In den Visegrad Staaten (vor allem in Ungarn, auch in Tschechien, nicht aber in Polen) sind Veränderungen traditioneller außenpolitischer Orientierungen in Bezug auf Russland zu beobachten. Für die EU als Ganzes stellt das eine Herausforderung bei der Formulierung gemeinsamer Antworten auf Moskaus Großmachtpolitik dar. Ausgehend von diesem außenpolitischen Bedeutungswandel Russlands liegt der Fokus der empirischen Untersuchung auf den innenpolitischen Folgen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in den östlichen Nachbarländern Deutschlands. Folgt die gegenwärtige Ermächtigungspolitik populistischer Parteien wie der ungarischen Fidesz (Ausschaltung des Parlaments in der Corona-Krise) oder der polnischen PiS (Besetzung des Obersten Gerichts) für einen generellen Trend in der gegenwärtigen Politik vieler Länder? Oder gibt es regionale Gründe für die Erfolge eines möglicherweise spezifischen ostmitteleuropäischen Populismus, die sich auch in den neuen Affinitäten für Putins Russland spiegeln? Aktuelle Populismus-Forschungen gehen zwar auf Entwicklungen in Ostmitteleuropa ein, haben aber bislang kein überzeugendes komparatives Design zur Identifizierung von Spezifika und allgemeinen Tendenzen entwickelt. Hierfür ein Angebot zu machen, ist Ziel des innerregional und in Bezug auf die untersuchten Einzelfälle auch diachron vergleichend angelegten Projekts. Es bietet zugleich Ansätze, gemeinsam mit Fallstudien zu anderen Weltteilen einen transregionalen Vergleich zu etablieren, der helfen kann, die Distanzen zwischen Vergangenheitsanalysen der Geschichtswissenschaften und Gegenwarts-analysen der Politikwissenschaft zu verkleinern.
Thematischer Bezug zu gesellschaftlichem Zusammenhalt
Das Projekt leistet einen empirisch untersetzten Beitrag zur geplanten globalen Kartierung des Populismus. Kritisch hinterfragt wird das Versprechen der verschiedenen Spielarten des Populismus, gesellschaftlichen Zusammenhalt durch die Betonung von Abschließung gegenüber Zuwanderung und durch die Kritik an einer als neoliberal wahrgenommenen Globalisierung neu herzustellen (Tóth 2019; Stojarová 2018). Gegenstand der Analyse die Frage, wie ostmitteleuropäische Populist*innen mit besonderer Intensität auf historische Vorläufer rekurrieren, die einer „Überfremdung“ der jeweiligen (fragilen und mythisch in die frühe Neuzeit oder das Mittelalter rückwärts verlängerten) Nationalgesellschaften entgegengetreten seien (Bustiková et al. 2009). Aufgegriffen werden dabei jene populären Elemente der jeweiligen Geschichtskulturen mit denen populistische Argumentationen in den Gesellschaften anschlussfähig gemacht werden. In vergleichend-kontextualisierender Absicht soll untersucht werden, wie der Verweis auf historische Spezifika mit einer Neubewertung der Rolle von Putins Russland zusammengeht mit Bemühungen um eine breite Allianz von Populismen auf europäischer Ebene (Aalberg et al. 2017), aber auch in verschiedenen Weltregionen. Ob eine solche Allianz nur eine Gelegenheitskoalition darstellt oder mittelfristig auf eine gemeinsame programmatische Basis gestellt werden kann, ist Gegenstand der Projektarbeit.
Aalberg, Toril; Esser, Frank; Reinemann, Carsten; Stromback, Jesper; De Vreese, Claes H. (Hrsg.) 2017: Populist Political Communication in Europe, New York.
Bustikova, Lenka; Kitschelt, Herbert 2009: The radical right in post-communist Europe. Comparative perspectives on legacies and party competition, in: Communist and Post-Communist Studies 42, 459-483.
Stojarova, Vera 2018: Populist, Radical and Extremist Political Parties in Visegrad countries vis à vis the migration crisis. In the name of the people and the nation in Central Europe, in: Open Political Science I:1, 32-45.
Tóth, András Máté 2019: Verwundete Identitäten: Freiheit und Populismus in Ostmitteleuropa, Wiesbaden.
Prof. Dr. Frank Hadler
Projektmitarbeiter:innen
Paolo Zucconi
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06 / 2020 – 05 / 2024:
- Cluster 3: Historische, globale und regionale Varianz des Zusammenhalts
- C3: Populistische Bewegungen und Regime im globalen Vergleich