Cluster 3: Historische, globale und regionale Varianz des Zusammenhalts
Das dritte Forschungscluster bearbeitet und problematisiert die Fragestellungen des FGZ mit Blick auf historische, globale und regionale Varianz des Zusammenhalts.
Zwar sind historische und international vergleichende Methoden in allen Forschungsclustern vertreten, Cluster 3 nutzt die vergleichende Perspektive jedoch systematisch, um die Annahmen und Fragestellungen der Cluster 1 und Cluster 2 kritisch zu kontextualisieren und zu ergänzen. Hierzu greift Cluster 3 auf ein breites Spektrum an historischen, sozial- und kulturwissenschaftlichen Methoden und Ansätzen zurück. Mit einer solchen Perspektive wird es möglich, eine unreflektierte Universalisierung der Zusammenhaltskonzeptionen in liberal-demokratischen Gesellschaften der Gegenwart zu hinterfragen und damit die Fallstricke des Eurozentrismus zu umgehen. Vielmehr lässt sich auf diese Weise zeigen, wie Vorstellungen von Zusammenhalt immer kontextabhängig und geschichtlich eingebettet sind. Dieser Bezugsrahmen wird erst im globalen, transnationalen und historischen Vergleich sichtbar.
In einer Welt, in der sich der Wettbewerb von Gesellschaftmodellen durch wachsende transnationale und transregionale Verflechtung verstärkt, kommt der vergleichenden (und historisierenden) Betrachtung vorherrschender Zusammenhaltskonzeptionen und -mechanismen eine erhebliche Bedeutung zu. Zumal sich diese Zusammenhaltskonzeptionen aufeinander beziehen, sich wechselseitig mehr und mehr durchdringen und sich auch und gerade in Momenten der Zusammenhaltskrisen explizit verflechten. Ein Blick in die Geschichte des gesellschaftlichen Zusammenhalts (nicht nur der deutschen Gesellschaft) zeigt, dass wir keineswegs zum ersten Mal in einer Phase leben, in der der gesellschaftliche Zusammenhalt Gegenstand heftiger Erörterung und unterschiedlicher Vorschläge zu seiner Befestigung geworden ist.
Tiefgreifender Wandel, komplexe Herausforderungen und kontroverse Debatten, die allesamt den gesellschaftlichen Zusammenhalt auf die Probe stellen, sind ständige Begleiter moderner Gesellschaften, auch demokratisch verfasster Marktgesellschaften. Ein historisch und international distanzierterer, vergleichender Blick macht deutlich, dass solche Krisen des Zusammenhalts nicht immer Ausdruck objektiver Gefährdungslagen sind, sondern dass die Thematisierung von Zusammenhalt und der Hinweis auf vermeintliche Zusammenhaltskrisen durchaus interessensgebunden sein kann, um bestimmte Vorstellungen von Gesellschaft durchzusetzen und andere zu diskreditieren. Solche Politiken des Zusammenhalts kommen durch die komparative Perspektive deutlicher in den Blick.
Auch historisch gewachsene transregionale Ungleichheiten in Folge imperialer Strukturen und kolonialer Unterdrückung sowie ihre Folgen für Zusammenhalt und Zusammenhaltskonzeptionen sind Gegenstand der Forschung in Cluster 3. Hinsichtlich der Bedeutung internationaler Kontextbedingungen hängt die Debatte um den gesellschaftlichen Zusammenhalt mit Veränderungen zusammen, die seit den 1990er Jahren unter dem Schlagwort der Globalisierung diskutiert werden. An die Stelle eines Diskurses der Alternativlosigkeit einer quasi-naturhaft wirkenden „Globalisierung“ treten in jüngerer Zeit aber stärker Varianten des Globalisierens durch verschiedene Akteur:innen und ihre Globalisierungsprojekte ins Zentrum der Debatte.
Allianzen, die in konkurrierenden Vorstellungen von einem idealen gesellschaftlichen Zusammenhalt begründet werden, erstrecken sich auf neue Weise über die Grenzen von Gesellschaften und erschüttern gewohnte Vorstellungen – etwa von einem homogenen „Westen“. Immer häufiger ist zudem die Frage zu hören, ob es in einer multipolaren Weltordnung auch alternative Gesellschaftsentwürfe gebe, die globale Herausforderungen effizienter zu beantworten versprechen. Insofern ist es für eine umfassende Untersuchung gesellschaftlichen Zusammenhalts notwendig, die transnationalen und transregionalen Kontextbedingungen und Einflussvektoren in die Analyse aufzunehmen. Auch dies soll von den Forschungsvorhaben in Cluster 3 geleistet werden. Das Cluster bildet eine wichtige interne Reflexionsinstanz des FGZ, indem es die Pluralität, Kontingenz und politische Formbarkeit von Zusammenhaltsvorstellungen im historischen und räumlichen Vergleich sichtbar macht. Das Cluster enthält vier Forschungsfelder zu gesellschaftlichem Zusammenhalt im diachronen Vergleich; Erinnerungspolitiken und -kulturen; Inklusion, Exklusion und Populismus sowie globalen Populismen im Vergleich.
Das Forschungscluster 3 wird von der Geschäftsstelle Leipzig koordiniert.