Institutionelles Erinnern und Alltagserinnern. Zur Temporalität und Normativität interaktionalen und konfliktiven Erinnerns bei behördlichen Kontrollen
Abstract
Dieser Beitrag untersucht Temporalitäts- und Normativitätsschichten interaktionalen Vergangenheitsrekonstruierens am Beispiel von Kontrollpraktiken eines Ordnungsamtes: Bisher in der sozialwissenschaftlichen Gedächtnisforschung noch wenig beleuchtet, konzentriert sich dieser Beitrag auf Prozesse des Erinnerns erst kürzlich zurückliegender Ereignisse und wie diese interaktiv rekonstruiert werden. Im Organisationsalltag der Ordnungsamtsmitarbeiter:innen spielen vor allem solche Konfliktsituationen eine Rolle, bei denen das erst kürzlich zurückliegende Ereignis (z. B. Parken des Autos) konfliktiv in unterschiedlichen Zeittiefen von Amts- und Zivilpersonen erinnert wird. Dabei treffen systematische, professionell-institutionelle Verfahren des Rekonstruierens auf Alltagspraktiken sozialen Erinnerns. Anhand ethnographischer Daten wird zunächst gezeigt, wie systematische, professionell-institutionelle Verfahren des Rekonstruierens aufgebaut sind. Anschließend werden die konfliktiven Interaktionen zwischen Amts- und Zivilpersonen und die daraus entstehenden Normativitätsebenen und Legitimationsformen analysiert. Die empirischen Daten aus dem Ordnungsamt einer Großstadt in Deutschland zeigen, wie die Vergangenheit mit verschiedenen Praktiken rekonstruiert wird und auf welche Weisen Fragmente alltäglichen Geschehens zu Episoden geteilter, kollektiver Erinnerung in nuce transformiert werden.
Quellen
Grauert, Hanna. 2024. Institutionelles Erinnern und Alltagserinnern. Zur Temporalität und Normativität interaktionalen und konfliktiven Erinnerns bei behördlichen Kontrollen. In: Österreichische Zeitschrift für Soziologie. doi: 10.1007/s11614-024-00564-4.