D_07 Prototypen des gesellschaftlichen Zusammenhalts

Standorte:

Bremen, Hamburg

Fachdisziplinen:

Kommunikations- und Medienwissenschaften

Gehört zu:

Abstract

Facebook, X und TikTok fördern Radikalisierung und Hassrede. Digitale Plattformen und soziale Medien gelten daher, wenn es um gesellschaftlichen Zusammenhalt geht, typischerweise als Probleme. Das Arbeitspaket nimmt dagegen Pioniergemeinschaften und alternative Plattform-Modelle in den Blick. Es untersucht, welche Potenziale digitale Plattformen für gesellschaftlichen Zusammenhalt durchaus haben können.

Wir erforschen Gruppen aus dem Umfeld von „Civic Hacking“, „Data Activism“, „Platform Cooperativism“ und „Future Journalism“, die sich mit digitalen Medien und Infrastrukturen beschäftigen. Was kritisieren diese Gruppen an der bestehenden Nutzung und Regulierung digitaler Technologien? Welche prototypischen Konzepte entwickeln siedigitale Plattformen für gesellschaftlichen Zusammenhalt einzusetzen? Welche Vorstellungen möglicher Zukünfte haben sie?

Im Zentrum der Untersuchung stehen die Imaginationen von Pioniergemeinschaften, ihre Praktiken und Diskurse. Diese Prototypen mediatisierter Vergemeinschaftung haben wie kaum eine andere Gruppe die medialen Praxen und Formen der Partizipation verändert. In ihnen wurden Ideen der Vergemeinschaftung imaginiert, bevor sie technologisch realisierbar waren. Aus ihnen heraus entstanden erst viele Technologien sozialer Medien.

Dem Arbeitspaket liegt ein interdisziplinäres medienethnographisches Design zugrunde. Im Vergleich von Europa und den USA rekonstruieren wir die Organisationsmodelle der alternativen Plattformen. Dabei greifen wir auf Interviews, Beobachtungen von Events und interne Dokumente zurück. In einem zweiten Schritt arbeiten wir die damit verbundenen Vorstellungen von gesellschaftlichem Zusammenhalt und Zukunftsvisionen heraus. 


Transferaktivitäten

In einem dritten Schritt führen wir transferorientierte Zukunftswerkstätten mit Bürger:innen durch, in denen alltagspraktische Potenziale solcher Zukunftsentwürfe diskutiert werden. Unter Einsatz von „art-based methods“ erproben wir innovative methodische Zugänge. Ziel ist es, Wissen über innovative Zusammenhaltsvorstellungen weiterzugeben und zu ermuntern, sich an alternativen Plattformmodellen zu beteiligen.


 D_06 - Transformation der gesellschaftlichen Verständigungsordnung

⇨  D_08 - Repräsentation im öffentlichen Raum

Digitale Plattformen und soziale Medien werden, wenn es um Fragen des gesellschaftlichen Zusammenhalts geht, typischerweise als Probleme wahrgenommen. Facebook, X/Twitter und TikTok fördern Radikalisierung und Hassrede und gelten deshalb als Gefahr; Airbnb, Deliveroo und Uber stellen eine Herausforderung für lokale Ökonomien dar. In der Forschung war – nach aus heutiger Sicht naiven Utopien zu Beginn des Internets – lange die Frage unterbelichtet, welche Potenziale digitale Plattformen für gesellschaftlichen Zusammenhalt haben. Das Arbeitspaket (AP) vollzieht einen solchen Perspektivwechsel, indem „Pioniergemeinschaften“ untersucht werden, die versuchen, „alternative Modelle“ von Plattformen zu etablieren. Ziel der Forschung ist es, auf digitale Medien und Infrastrukturen orientierte Gruppierungen aus dem Umfeld von „Civic Hacking“ und „Data Activism“ zu erforschen. Solche Bewegungen haben häufig eine enge Beziehung zu einem (zusammenhaltsorientierten) Datenjournalismus, wie er vor allem während und mit der Corona-Pandemie an Bedeutung gewonnen hat. Dabei fragt das AP nach den „prototypischen“ Konzepten des Einsatzes von digitalen Plattformen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt bzw. nach der damit verbundenen Kritik an bestehenden Nutzungen und Regulationen von digitalen Technologien. 

Das AP greift die Grundfragestellung nach der Rolle von Mediatisierungsdynamiken für gesellschaftlichen Zusammenhalt auf, indem es häufig „alltagskybernetische“, d.h. auf Selbstorganisation setzende Modelle des Zusammenhalts durch digitale Plattformen erforscht. Dabei werden die „Imaginationen“ von Pioniergemeinschaften, ihre „Praktiken“ und „Diskurse“ untersucht, u.a. bezogen auf „Welt- und Selbstbilder“, die handlungsleitend für soziale Praxis sind. Wie die Diskussion um „Datenkolonialismus“ zeigt, betrifft dies eine „globale Machtverschiebung“ und „symbolische Verknappung“ par excellence. 

Der Schwerpunkt „Mediatisierungsdynamiken“ befasst sich mit der „ineinandergreifende[n] Transformation von Medien und Gesellschaft“ und dabei insbesondere mit „neue[n] Formen der mediatisierten Vergemeinschaftung“ und der „Transformation der gesellschaftlichen Partizipationskultur“. Für all diese Veränderungen stehen medien- und technologiebezogene Pioniergemeinschaften wie kaum eine andere Gruppierung: In diesen wurden heutige mediatisierte Vergemeinschaftungen imaginiert, bevor sie technologisch realisierbar waren, aus diesen heraus sind auch viele Technologien sozialer Medien entstanden – bis hin zu jüngsten Entwicklungen wie ChatGPT. Aktuelle und zukünftige Veränderungen in Bezug auf digitale Medien sind im FGZ praktisch nicht erforschbar, wenn man nicht auch diese Pionierentwicklungen mit einbezieht.

Principal Investigators

Projektmitarbeiter:innen

Hamburg
betahaus Eifflerstraße 43 22769 Hamburg

Zusammenhalt und Polarisierungsdynamiken in sozialen Medien. Querschnittstagung von Themenfeld A, B und D

Soziale Medien stehen im Verdacht, gesellschaftliche Polarisierung zu verstärken. Ihre algorithmengetriebene Aufmerksamkeitsökonomie belohnt Zuspitzung und Empörung statt Verständigung, während fehlende journalistische Kontrolle Desinformation begünstigt. Diese Entwicklungen fordern demokratische Gesellschaften und deren Zusammenhalt heraus. Die Querschnittstagung vereint wissenschaftliche und praktische Perspektiven, um Handlungsspielräume auszuloten und Impulse für zukünftige Forschung und Interventionen zu geben.

Praxispartner:innen

  • BMBF-Projekt „molo.news“
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