FRA_F_02 Wertkonflikte, Arbeitsteilung und gesellschaftlicher Zusammenhalt im Geschlechterverhältnis

Zielsetzung / Fragestellung

Geschlecht ist ein bedeutsamer Faktor bei der Herstellung gesellschaftlichen Zusammenhalts, der in den letzten Jahrzehnten besonders stark von sozialem Wandel betroffen ist (Connell 2005; Peterson / Hughey 2004). Als Folge konkurrieren etwa in Europa nicht nur verschiedene familien- und arbeitsmarktpolitische work-care Modelle, es koexistieren damit verbunden auch egalitäre und essentialistische Geschlechterideologien und Familienideale, deren sozial-strukturelle Fundierung und Folgen bislang unerforscht sind (Grunow et al. 2018; Grunow / Evertsson 2016; Knight / Brinton 2016). Vor diesem Hintergrund widmet sich dieser Forschungsbeitrag erstens der Frage, ob die konkurrierenden Geschlechter- und Familienideale mit anderen Werten, wie kultureller Offenheit beziehungsweise Schließung, Solidarität und Wahlverhalten zusammenhängen. Eine weitere Forschungslücke betrifft die Frage, warum sich weitaus mehr Männer als Frauen mit populistischen und rechts-konservativen Parteien identifizieren (Harteveld et al. 2015; Bieber et al. 2018) und wie sich diese Differenzen innerhalb von Paaren und Familien clustern. Hier konkurrieren Hypothesen zu geschlechtsspezifischem sozial erwünschtem Antwortverhalten in Befragungen mit Hypothesen sozialräumlicher Segregation und Adaption.

Zweitens fragen wir, ob die politische Mobilisierung von Genderfragen durch politische Parteien zur Etablierung einer neuen politischen Polarisierung führt und wie sich diese zu anderen kulturellen und sozioökonomischen Spaltungslinien verhält. Dabei wird auch untersucht, ob und wie sich unterschiedliche Modelle der familialen Arbeitsteilung auf die Politisierung von Genderidentitäten auswirken.

Drittens wird untersucht, welche Determinanten und Folgen unterschiedliche Formen der familialen Arbeitsteilung für die Reproduktion sozialer Ungleichheiten haben. Hier lautet eine Hypothese, dass es gerade in den vom Abstieg bedrohten unteren Mittelschichten sowie den Unterschichten zu Entkopplungen von (eher tradierten und essentialistischen) Einstellungen (UV) einerseits und arbeitsteiligen Praktiken im Geschlechterarrangement (AV) kommt. Diese sollten, speziell für Frauen, im Beziehungsverlauf zur Akkumulation ökonomischer Nachteile führen.

 

Thematischer Bezug zu gesellschaftlichem Zusammenhalt

Geschlecht ist eine zentrale Dimension sozialer Ungleichheit, ein strukturierender Aspekt sozialer Milieus und zudem ein bedeutsamer Faktor bei der Herstellung von Formen gesellschaft­lichen Zusammenhalts. Bislang ist die Forschung zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bezogen auf die Dimension Geschlecht jedoch fragmentiert und deutlich entwicklungsfähig. Das Projekt leistet einen Beitrag zu der im FGZ angestrebten systematischen Forschung zu den Folgen und Wirkungen gesellschaftlichen Zusammenhalts.


Bieber, Ina; Roßteutscher, Sigrid; Scherer, Philipp 2018: Die Metamorphosen der AfD-Wählerschaft: Von einer euroskeptischen Protestpartei zu einer (r)echten Alternative?, in: Politische Vierteljahresschrift 59:3, 433-461.

Connell, Raewyn 2005: A really good husband: Work / Life Balance, Gender Equity and Social Change, in: Australian Journal of Social Issues 40:3, 369-383.

Grunow, Daniela; Begall, Katia; Buchler, Sandra 2018: Gender ideologies in Europe: A multidimensional framework, in: Journal of Marriage and Family 80:1, 42-60.

Grunow, Daniela; Evertsson, Marie (Hrsg.) 2016: Couples’ transitions to parenthood: Analysing gender and work in Europe, Cheltenham.

Harteveld, Eelco et al. 2015: The gender gap in populist radical-right voting: examining the demand side in Western and Eastern Europe, in: Patterns of Prejudice 49:1–2, 103-134.

Knight, Carly R.; Brinton, Mary C. 2017: One egalitarianism or several? Two decades of gender-role attitude change in Europe. American Journal of Sociology, 122:5, 1485-1532.

Peterson, N. Andrew; Hughey, Joseph 2004: Social Cohesion and Intrapersonal Empowerment: Gender as Moderator, in: Health Education Research 19:5, 533-542.

Principal Investigators

Projektmitarbeiter:innen

Laufzeit, Cluster und Forschungsfelder

Laufzeit:

01 / 2021 – 12 / 2023

Cluster und Forschungsfelder:

Cluster 2: Strukturen, Räume und Milieus des Zusammenhalts
C2: Milieu und soziale Ungleichheiten

Publikationen

Multidimensional Gender Ideologies Across Europe: Evidence From 36 Countries

Wissen die Eltern, was sie tun? Ein empirischer Beitrag zur möglichen Einführung eines Familienwahlrechts und seinen Folgen

Measuring Social Solidarity During Crisis: The Role of Design Choices

Temporary Disenfranchisement: Negative Side Effects of Lowering the Voting Age

Different Colors of the Same Rainbow? The Polarization of Gender Issues and its Campaign Potential

Die Rolle von Sozialstruktur und Geschlecht für die Entwicklung der Stimmenanteile der „Volksparteien“ CDU/CSU und SPD

Social solidarity with Ukrainian and Syrian refugees in the twitter discourse. A comparison between 2015 and 2022

In der Warteschleife

What We Have Learned About Social Integration: Conclusion

A step to the left? Gender ideologies and political party identification in Germany

Theorie der Spätmoderne in der Krise? Oder: Schattenboxen mit den Kollegen Reckwitz und Rosa

Lowering the Quality of Democracy by Lowering the Voting Age? Comparing the Impact of School, Classmates, and Parents on 15- to 18-Year-Olds’ Political Interest and Turnout

Politische Bilder lesen: Ein Werkzeugkasten zur Bildanalyse

Gesellschaftliche Sozialintegration. Konzeptionelle Grundlagen und offene Fragen

The Changing German Voter

All Gone? Change and Persistence in the Impact of Social Cleavages on Voting Behavior in Germany since 1949

Rally Effect in the Covid-19 Pandemic: The Role of Affectedness, Fear, and Partisanship

Changes in European Solidarity Before and During COVID-19: Evidence from a Large Crowd- and Expert-Annotated Twitter Dataset

Women’s employment transitions: The influence of her, his, and joint gender ideologies

Crossing Social Boundaries in an Immigration Context: Exogamy and Gendered Employment Patterns in Unions in Germany

Relationality and linked lives during transitions to parenthood in Europe: an analysis of institutionally framed work-care divisions

FGZ-interne Kooperationspartner:innen

» zurück zur Projektübersicht