Verteilung und Perzeption von Umweltbelastungen und Naturressourcen und ihre Bedeutung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt
C_06 – Projekt des FGZ Halle – Projekt des FGZ Hannover
Das im dritten Schwerpunkt zum Zusammenhalt in der sozial-ökologischen Transformation verortete Arbeitspaket (AP) behandelt den Einfluss von Naturressourcen und Umweltbelastungen auf den sozialen Zusammenhalt unter Berücksichtigung sozial-ökologischer Gerechtigkeit. Im Vordergrund stehen dabei Fragen nach der räumlichen Verteilung von Umweltqualitäten und -belastungen, partizipativen Prozessen sowie der Wahrnehmung von Umweltgerechtigkeit und grün-blauer Infrastruktur in verschiedenen Regionen und ihren Wirkungen auf Zusammenhalt. Damit trägt das AP zur Klärung der Frage des Schwerpunkts bei, welche Innovationen auf Seiten öffentlicher Güter notwendig sind, um unter den Rahmenbedingungen der sozial-ökologischen Transformation bindende Effekte zu entfalten (loyalty) und wann diese in trennende Effekte umschlagen (exit).
Um den Klimawandel in Deutschland bestmöglich einzudämmen, sich auf dessen Folgen vorzubereiten und den Lebensraum für die wachsende Bevölkerung insbesondere in Städten zu erhalten, ist die Mitwirkung von verschiedenen gesellschaftlichen Akteur:innen unabdingbar. Hierbei gilt es, den weiteren Verlust öffentlicher Güter (z.B. Ökosysteme mit ihren Leistungen oder ihrer Artenvielfalt) zu verhindern, Umweltbelastungen (z.B. urbane Hitzeinseln) zu minimieren, überlebenswichtige Naturressourcen zu schonen und weitere grün-blaue Infrastruktur als natur-basierte Lösungsansätze zu schaffen. Das Vermeiden und der Abbau sozialer Ungleichheit, struktureller Benachteiligung und regionaler Gefälle stellen dabei übergeordnete Ziele und gemeinsame Interessen dar, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt in demokratischen Gesellschaften fördern. Zu diesen Fragen steht das AP mit dem AP C_05 in engem Austausch.
Maßnahmen zur Abschwächung von und Adaption an Klimawandel, Artenverlust und Urbanisierung sowie die damit verbundenen Herausforderungen für Gesundheit und Wohlbefinden müssen unter den Bedingungen der notwendigen „sozial-ökologischen Transformation” sozial gerecht gestaltet werden, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu wahren. So können Gesundheit und Wohlbefinden, für die soziale Gradienten nachweisbar sind, eine wichtige vermittelnde Variable zwischen Naturressourcen wie grün-blauer Infrastruktur und Umweltbelastungen einerseits und wahrgenommenem gesellschaftlichem Zusammenhalt andererseits darstellen. Wälder, Naherholungsgebiete sowie urbane Parks und Grünanlagen wirken sich vorteilhaft auf das Wohlbefinden und Gesundheit aus. Zudem bieten (insbesondere urbane) Naturressourcen eine Fläche, auf der gesellschaftlicher Zusammenhalt entstehen bzw. gelebt werden kann, da soziale Interaktion z.B. durch das Vorhandensein von Grünflächen wie Parks oder Stadtgärten ermöglicht und gefördert wird. Die Nutzung von Naturressourcen übt zudem einen Einfluss auf den sozialen Zusammenhalt aus, indem sie Kontaktopportunitäten schafft und zur Verstetigung von Sozialbeziehungen beiträgt. Für den Nexus zwischen sozialem Zusammenhalt und Wohlbefinden bzw. Gesundheit gehen wir von einer stark positiven Assoziation aus.
Zur Leitfrage des Themenfelds nach den bindenden und trennenden Effekten von Infrastrukturen und öffentlichen Gütern werden wir mit diesem Vorhaben einen Beitrag liefern, indem wir Naturressourcen als Infrastrukturen konzeptualisieren, die einerseits lebenswichtige Ökosystemleistungen erbringen, die den Zusammenhalt fördern, die andererseits aber auch Spaltungen hervorrufen können, indem sie zum Thema lokaler Konflikte verschiedener Interessengruppen werden (z.B. bei Landnutzungskonflikten). Dieses interdisziplinäre AP untersucht die Bedeutung der regional ungleichen Verteilung von Umweltbelastungen und Naturressourcen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Dabei berücksichtigt es die politische Agenda einer umfassenden sozial-ökologischen Transformation von Infrastrukturen, einschließlich ökologischer Modernisierung, sowie die Debatte um Umweltgerechtigkeit. Hier soll die Wahrnehmung der eigenen Lebenszufriedenheit und der Gesundheit als zentrale intermediäre Größen untersucht werden. Es wird zudem überprüft, wie regionale Opportunitätsstrukturen, die Zugänglichkeit und die tatsächliche Nutzung von Naturressourcen als grüne Infrastrukturen ökologische Kontexteffekte moderieren. Beispielsweise soll geklärt werden, ob ausreichende Mobilitätsinfrastrukturen für den Zugang vorhanden sind, damit Naturressourcen ihre positive Wirkung auf Wohlbefinden und Zusammenhalt entfalten können.
Unsere Fragestellungen sind:
- Wie sind Umweltbelastungen (Hitze, Luftverschmutzung) und Umweltqualitäten (z.B. grüne-blaue Infrastruktur) im Sinne einer Verteilungsgerechtigkeit räumlich verteilt?
- Wie gestaltet und erfahrbar sind partizipative Prozesse hinsichtlich der Möglichkeiten zur Beteiligung und Förderung des sozialen Zusammenhalts in sozial-ökologischen Transformationsprozessen z.B. in der Umsetzung von Grünflächen-Implementierungs- und Gestaltungsmaßnahmen (Verfahrensgerechtigkeit)?
- Wie werden Umweltgerechtigkeit, die Etablierung grün-blauer Infrastrukturen sowie Möglichkeiten zur Partizipation im Kontext des sozialen Zusammenhalts individuell sowie als Gruppe in einem sozialen Netzwerk wahrgenommen (Perzeption)?
- Wie und ob unterscheiden sich diese Gerechtigkeitsdimensionen in ihrer Ausprägung räumlich, z.B. in periurbanen Gebieten bzw. im Stadt-Umland im Vergleich zu Stadtgebieten oder zwischen einzelnen Stadtquartieren?
- Wie beeinflussen soziale Faktoren (z.B. Bildung, soziale Lage) und der räumliche Zugang zu Naturressourcen den empfundenen sozialen Zusammenhalt, vermittelt durch Wohlbefinden und Gesundheit?
- Wie werden kommunale Aktivitäten und eigene Verantwortlichkeiten in Bezug auf die sozial-ökologische Transformation von Anwohner:innen wahrgenommen?
- Welche Bereiche kommunaler Naturressourcen erfordern eine gezielte Entwicklung, um mehr sozial-ökologische Gerechtigkeit zu erreichen?