Wie tragen Bürger:innen dazu bei, lokale Versorgungsstrukturen durch die Selbstorganisation von Infrastrukturen zu verändern oder zu erhalten? Welche Rolle spielt der gesellschaftliche Zusammenhalt dabei? Wir untersuchen die sozialen und rechtlichen Voraussetzungen für die bürgerschaftliche Bereitstellung von Infrastrukturen in Form von Infrastrukturgenossenschaften.
Unser Arbeitspaket (AP) untersucht gesellschaftlichen Zusammenhalt im Bereich der Selbstorganisation von Infrastrukturen. Dabei interessiert uns die Bereitschaft von Bürger:innen, sich selbst an der Verbesserung oder Bereitstellung von Infrastrukturen zu beteiligen. Wir betrachten hierzu die Bereiche Wohnen und Energie.
Mit Blick auf die zentralen Fragestellungen des FGZ zeigen wir Folgendes: Genossenschaften nutzen gesellschaftlichen Zusammenhalt als Ressource. Gleichzeitig erzeugen sie ihn im gemeinsamen Arbeiten oder gefährden ihn durch Exklusionsprozesse.
Das AP ist multimethodisch und transdisziplinär angelegt. Im Arbeitspaket werden rechtswissenschaftliche und soziologische Zugänge kombiniert. Wir nutzen unterschiedliche Befragungsformate. Diese Formate kontrastieren wir mit einer Analyse der Rechtslage.
Transferaktivitäten
Unsere praxisorientierten Angebote richten sich insbesondere an die untersuchten Kommunen und lokale zivilgesellschaftliche Akteur:innen. Ein jährlich stattfindender Workshop bietet uns eine geeignete Plattform für den Austausch. Teilnehmende sind Wissenschaftler:innen, Praxispartner:innen sowie Vertreter:innen aus Politik und Verwaltung und Interessierte der Zivilgesellschaft.
Inhalte des Arbeitspakets
Vor dem Hintergrund der im Themenfeld C formulierten infrastrukturellen Problemlagen widmet sich das im zweiten Schwerpunkt angesiedelte Arbeitspaket (AP) den Praktiken der Selbstorganisation von Infrastrukturen (voice) und der Erforschung der Bereitschaft von Bürger:innen, sich selbst an der Verbesserung oder gar Bereitstellung von Infrastrukturen zu beteiligen. Am Beispiel von Infrastrukturgenossenschaften u.a. im Bereich Wohnen und Energie, fragen wir, wie kooperative Rekonfigurationen von Infrastrukturen und so Zusammenhaltsangebote vor Ort gestaltet werden. Damit leistet das AP einen Beitrag zur die schwerpunktspezifische Fragen, wer in welcher Form und mit welcher Wirkung öffentliche Güter und Infrastrukturen herstellt und gewährleistet sowie zur Frage des Themenfelds, wie sich das Verhältnis von zivilgesellschaftlicher Initiative bei der Erstellung öffentlicher Güter gestaltet.
Der Fokus auf Genossenschaften, die als „Kinder der Not” ihren ersten Höhepunkt als Folge transformativer Umbrüche in der Zeit der Industrialisierung hatten, begründet sich in ihrer spezifischen Stellung zwischen Staat, Markt und Zivilgesellschaft: Einerseits gelten sie besonders in Krisenzeiten als widerstandsfähige Kooperationsform. Andererseits bietet ihr Prinzip der Stimmengleichheit eine Basis für alternative Formen der Infrastrukturgestaltung in demokratischen Gesellschaften. Für transformative infrastrukturelle Entwicklungen sind insbesondere solche Genossenschaften interessant, die dem Dritten Sektor zugeordnet werden können. Diesen Genossenschaften ist gemein, dass sie ihren Förderzweck nicht nur auf die eigenen Mitglieder beziehen, sondern über diese hinaus einen lokalen Versorgungsbeitrag für das Gemeinwesen leisten möchten. Genossenschaften, die sich solchen „dauerhaften Einrichtungen” widmen, welche „die Grundlage für den Freiheitsgebrauch der Bürger darstellen” (ebd.) bezeichnen wir als Infrastrukturgenossenschaften (auch Sozial-, Bürger:innen- oder gemeinwesenorientierte Genossenschaft.
In der Literatur werden Infrastrukturgenossenschaften Potenziale in der Transformation lokaler Infrastrukturen zugesprochensowie auf ihre stabilisierenden und zusammenhaltstärkenden Effekte verwiesen. Durch ihr Prinzip der Stimmgleichheit und die Möglichkeit mit der Genossenschaft nunmehr auch soziale und kulturelle Belange zu fördern gemäß § 1 Abs. 1 GenG (eingeführt durch die Novelle des Genossenschaftsgesetzes im Jahr 2006 bieten Genossenschaften die Möglichkeit, die Entstehung oder Nutzung von Zusammenhalt bei gleichzeitig großem Exklusionspotenzial (alle Nichtmitglieder) zu beobachten.
Die Ambivalenz von „Freiwilligenarbeit“ und dem Risiko, einen Legitimationsbeitrag für eine „Politik des Unterlassens” zu leisten, der den staatlichen Rückzug aus öffentlichen Versorgungsleistungen leichter verkraftbar machen könnte, verschärft das bereits angespannte Feld.