Transnationaler Ideologietransfer der populistischen und extremen Rechten
D_02 – Berlin – Leipzig
Das Arbeitspaket (AP) will zu einem Verstehen der Weltverständnisse, Fremd- und identitären Selbstdeutungen der populistischen und extremen Rechten beitragen. Es unternimmt eine transnationale Analyse der Zirkulation von Werten, Ideologien und Politiken, die auf einem undemokratischen Konzept des gesellschaftlichen Zusammenhalts beruhen.
Rechte Bewegungen befeuern zunehmend die konflikthaften kulturellen Auseinandersetzungen um Weltbilder, Werteordnungen und Identitäten, die im Themenfeld D im Mittelpunkt stehen, und sie fördern ein alternatives Konzept des sozialen Zusammenhalts, das auf ausgrenzendem Nativismus und Antipluralismus beruht. Ihr globaler Erfolg wird durch ideologische Transfers und internationale Kooperation befördert und durch rechtsextreme Parteien weiter gestärkt. In den letzten Jahren hat der globale Aufstieg der extremen und populistischen Rechten zunehmend das Interesse der vergleichenden Forschung auf sich gezogen, sowohl zu länderspezifischen Fallstudien, als auch zu umfassenden Übersichten führte. Diese globale Perspektive offenbarte Variationen zwischen Fällen, doch auch – trotz der als „Antiglobalismus“ bezeichneten Ablehnung weltweiter Verflechtungen – eine gemeinsame Vision der zukünftigen Welt. Rechtsextreme Bewegungen greifen jedoch auch in globale Prozesse ein und versuchen, diese auf ihre eigene Weise zu kontrollieren. Unter Berücksichtigung der Debatte über die Definition des Rechtspopulismus als „dünne Ideologie“, und als rhetorischer und diskursiver Stil, betrachten wir den Rechtspopulismus als ein autoritäres politisches Milieu, das den Begriff der Gleichheit ablehnt und eine Gegenerzählung propagiert, die auf extremem Nationalismus und Ethnozentrismus basiert. Trotz der Unterscheidungen, die im AP herausgearbeitet werden, ist er ideologisch und personell eng mit der „Neuen Rechten“ sowie dem Rechtsextremismus verbunden. Gemeinsame Merkmale sind die Strategie des Othering und die Stärkung des Zusammenhalts der als „eigen“ empfundenen Gruppe durch identitätsbasierte Ablehnung von Fremdgruppen. Antisemitismus und Rassismus sind dabei zentrale Ressentiments, Islamophobie und Antiglobalismus bilden weitere charakteristische Tendenzen. Die Spannung zwischen Nationalismus und „Zivilisationismus“, die auf dem Zusammenspiel von Christentum, Säkularismus und Identität beruht, bildet schließlich eine dritte Untersuchungslinie.
Besondere Bedeutung in der Transnationalisierung kommt dem digitalen Raum zu: soziale Medien haben enorm zu einer weltweiten Zirkulation rechter Diskurse beigetragen. Rechtpopulistische und -extreme Welt- und Selbstdeutungen gewinnen dadurch zunehmend Einfluss und stehen für einen tiefgreifenden Wandel kultureller Selbstverständigung. Die transnationale Analyse rechter Ressentiments leistet somit einen veritablen Beitrag zur Analyse der kulturellen Dynamiken des Zusammenhalts.
Das AP widmet sich diesen Themen in drei Fallstudien, in denen nach jeweils konkreten Akteuren und Diskursen gefragt wird, während gleichzeitig ihre transnationalen Verbindungen und ideologischen Transfers untersucht werden. Im vierten Modul ordnet ein Handbuch diese Fälle in eine breitere globale Perspektive ein.
Modul 1: Transnationale Identitätspolitik: Antisemitismus und Rassismus in der extremen Rechten in Deutschland und den USA
Der Attentäter des Anschlags von Halle 2019 verfasste ein mehrseitiges Manifest, in welchem er die Verschwörungserzählung des „Großen Austauschs” propagierte – so wie schon mehrere Rechtsterroristen vor ihm, u.a. in den USA. Dass der deutsche Attentäter seine Thesen auf Englisch verfasste, veranschaulicht die globale Zirkulation rechter Weltbilder. Das Modul 1 nimmt diese zum Ausgangspunkt, um in einer vergleichenden und historisch informierten Perspektive die spezifische Bedeutung sowie das Verhältnis von Antisemitismus und Rassismen in den durch deutsche und US-amerikanische Rechtsextremist:innen propagierten Identitäts- und Zusammenhaltsvorstellungen seit Anfang der Nuller Jahre herauszuarbeiten. Neben einer zunehmenden, durch soziale Medien beförderten Annäherung, werden Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Bedeutung dieser Ideologeme vor dem Hintergrund nationaler Spezifika betrachtet. Untrennbar ist diese Analyse auch mit einem Blick auf Antifeminismus als Leitmotiv extrem rechter Politik verbunden, sowie auf Transfeindlichkeit als einer zentraler werdenden – und teilweise aus der US-Rechten „importierten“ – Begleitideologie.
Modul 2: Rechtsextremer digitaler Aktivismus: Transnationale Verbindungen und Erinnerung in Südosteuropa
Konzepte und Praktiken des gesellschaftlichen Zusammenhalts stützen sich auf die narrative Konstruktion einer gemeinsamen Vergangenheit. Die rechtsextreme und populistische „illiberale Erinnerung“ bleibt ein wenig erforschtes Thema. Modul 2 füllt diese Lücke, indem es nun auch den rechtsextremen Erinnerungsaktivismus in Südosteuropa und dessen globale Verbreitung in digitalen Medien fokussiert.
Transnationale rechtsextreme Bewegungen, die durch soziale Medien entstehen, haben eine revisionistische Geschichte verschiedener Epochen zu einer lose verbundenen Erzählung von zivilisatorischen Bedrohungen entwickelt. Die revisionistische Erinnerung an die Jugoslawienkriege, so das Narrativ rechtsextremer Terroristen in den 2010er Jahren, spielt in dieser Erzählung eine zentrale Rolle. Sie wirkten als Katalysatoren für die Formierung der extremen Rechten, aber auch als reiche Quelle der revisionistischen Erinnerung. Diese Fallstudie rekonstruiert eine regional spezifische Debatte zum gesellschaftlichen Zusammenhalt im Verlaufe der letzten drei Dekaden und untersucht deren globale Vernetzung anhand der rechtsextremen Diskursanteile im transnationalen Erinnerungsaktivismus.
Modul 3: Außenpolitik der extremen Rechten: Die transnationalen Verbindungen des Rassemblement National
Diese Fallstudie reagiert auf die Literatur zur Außenpolitik der französischen populistischen Rechten sowie auf jene über die Herausforderungen für die liberale Weltordnung. Im Anschluss an LEI_F_10 wird Modul 3 die Forschung über Außenpolitik und Umgang des Rassemblement National (RN) mit der Globalisierung fortsetzen, und dabei die Frage nach Narrativen und dem Einfluss des RN auf die Wissensproduktion zum Umgang mit globalen Trends innerhalb liberaler Demokratien beantworten. Diese Forschung korrespondiert mit dem Themenfeldfokus auf Varianzen von Zusammenhalt. Zu diesem Zweck untersucht das AP die Herausforderung, die die extreme Rechte für die liberale Weltordnung bildet und erforscht, wie sie versucht, konkurrierende internationale Normen und diplomatische Strukturen zu schaffen. Die Forschung konzentriert sich auf den Zeitraum zwischen 1990 und 2024. Von besonderem Interesse sind die Allianzen der französischen extremen Rechten innerhalb der Europäischen Union sowie ihre Verbindungen zu russischen und nordamerikanischen Akteuren.
Modul 4: Handbuch Globalisierungsprojekte des Populismus im weltweiten Vergleich
Aufbauend auf den Forschungen der anderen Module befasst sich Modul 4 mit Ordnungs- und Wertvorstellungen rechtspopulistischer Akteure in einem Handbuch, das insbesondere ihren Konzepten von – nationalem und globalem – Zusammenhalt gewidmet ist. Insofern liefert das Handbuch einen Beitrag zur theoretischen Grundlegung wie zur vergleichenden Systematisierung von empirisch vorfindlichen Zusammenhaltskonzeptionen als dynamischen Wissensprozessen. Die einzelnen Aufsätze sollen von nationalen bzw. regionalen Fallstudien ausgehen, aber auch nach der Vernetzung der jeweiligen Fälle fragen, damit ein Panorama der Verflechtungen entsteht. Von besonderem Interesse sind Fallstudien, die bei der Diskussion über populistische Akteure, z.B. in Afrika oder Asien, oft übersehen werden. Zusätzlich zur Literatur über Globalisierung und Populismus sowie zu Narrativen über Globalisierung wird dieses Handbuch auf die Forschung über die Bemühungen der extremen Rechten eingehen, kollektive Erinnerungsprozesse und -kulturen zu beeinflussen.
Dr. Sina Arnold
Prof. Dr. Frank Hadler
Prof. Dr. Matthias Middell
Projektmitarbeiter:innen
Therese Mager
Dr. Katarina Ristic
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06/2024 – 05/2029Praxispartner:innen
- Bildungsstätte Anne-Frank (Frankfurt)
- Rosa-Luxemburg-Stiftung (Berlin)
- Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ) (Berlin)
- Mediendienst Integration (Berlin)