Juristische Begrifflichkeiten von Rassismus in Institutionen und Typologie von Handlungsempfehlungen
INRA_C01 – Konstanz
Zielsetzung/Fragestellung
Die gesteigerte Aufmerksamkeit, die dem Thema Rassismus gegenwärtig zukommt, geht einher mit Forderungen an den Staat, mittels rechtlicher und institutioneller Reformen einen stärkeren Schutz vor Diskriminierungen für Betroffene zu gewährleisten. In den Blick geraten zunehmend staatliche Entscheidungsprozesse sowie unbewusste Verhaltensweisen. Es stellt sich die Frage, ob diesbezüglich Formen eines juristisch relevanten Rassismus vorliegen. Man spricht insofern von „strukturellem“ oder auch „institutionellem“ Rassismus sowie von vermeintlich beiläufigen Erscheinungsformen eines „Alltagsrassismus“.
Das juristische Teilprojekt setzt hier an und konzentriert sich auf begriffliche Überlappungen und Unterschiede zwischen juristischen, interdisziplinären und öffentlichen Debatten. Außerdem entwickelt es eine Typologie von möglichen Handlungsempfehlungen, wie Staat und Verwaltung auf die diversen Erscheinungsformen eines Rassismus reagieren können.
Begrifflichkeiten von Rassismus
Erste Zielsetzung ist eine juristische Begriffsklärung der verschiedenen Erscheinungsformen von Rassismus. Das Teilprojekt hat hierzu ein Policy Paper erarbeitet, das Sie hier herunterladen können. Dieses soll sowohl der Politik als auch den verschiedenen Behörden als Informationsgrundlage dienen. Untersucht werden verschiedene Begriffsverständnisse von Rassismus. Insbesondere setzt sich das Paper mit der rechtlichen Bewertung eines kulturalisierten Rassismus auseinander und geht auf strukturelle und institutionelle Erscheinungsformen sowie den sog. Alltagsrassismus ein. Denn nicht jede Erscheinungsform von Rassismus stellt einen Rechtsverstoß dar. Nach einer Darstellung der menschenrechtlichen Vorgaben sowie der für die (Gerichts-) Praxis zentralen einfachgesetzlichen Antidiskriminierungsvorschriften wie dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz erfolgt eine rechtliche Einordnung.
Die Begriffsklärung erfolgt unter Rekurs auf die einschlägigen juristischen Erkenntnisquellen zur Ermittlung der Reichweite von Antidiskriminierungsvorschriften auf unterschiedlicher Normebene. Neben dem nationalen Recht werden auch internationale und europäische Rechtstexte in den Blick genommen. Zur Gesetzesauslegung kann zum einen bereits bestehende juristische Fachliteratur herangezogen werden, die in Teilen aber noch lückenhaft ist oder unterschiedliche Ansichten aufzeigt. Vieles befindet sich hier momentan im Fluss. Auch Gerichtsentscheidungen können – unter Beachtung der Grenzen der Übertragbarkeit der aufgestellten Grundsätze – zur Klärung juristischer Fragen beitragen, soweit eine Frage bereits Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens war.
Typologie von Handlungsempfehlungen
Zweite Zielsetzung ist die Erarbeitung von Handlungsempfehlungen. Diese sollen sich nicht an eine bestimmte Behörde richten, sondern einen Instrumentenkasten (Toolbox) für verschiedene Behörden bereitstellen, auf den je nach Kontext und Situation zurückgriffen werden kann. Pauschale Lösungen im Sinne eines „one-size-fits-all“ sind daher nicht zielführend. Es geht vielmehr darum, den Behörden verschiedene, abgestufte Reaktionsmöglichkeiten vorzustellen, die auf unterschiedlichen Ebenen ansetzen. Neben externen Kontrollen durch Gerichte und Ombudsstellen sind auch behördeninterne Reformen wie die Aus- und Fortbildung oder behördeninterne Leitbilder denkbar. Die Instrumente werden auf der Grundlage eines engen Austauschs mit der Praxis und der verwaltungsrechtswissenschaftlichen Forschung ermittelt.
Methodische Grundlage für den zweiten Teil sind neben rechtsvergleichenden Untersuchungen vor allem auch die Einsichten der Verwaltungsrechtswissenschaft zu den organisatorischen Rahmenbedingungen des Verwaltungshandelns unter Einschluss der Personalstruktur sowie zu externen und internen nachgelagerten Kontrollmechanismen sowie präventiven Compliance-Strukturen.
Prof. Dr. Judith Froese
Prof. Dr. Daniel Thym
Projektmitarbeiter:innen
Marie-Louise Reuter
Larissa Natalie Schuler
Johannes Siegel
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01 / 2022 – 12 / 2024:
- InRa-Studie „Institutionen & Rassismus"
- InRa C: Rassismusbekämpfung und interinstitutionelle und internationale Lernprozesse