Räume der Begegnung und des Zusammenhalts – eine Vergleichsstudie in Halle und Hannover
HAN_F_02 – Hannover
Zielsetzung / Fragestellung
Wie konstituiert sich in welchen Räumen gesellschaftlicher Zusammenhalt in Begegnungen?
Was sind in diesen spezifischen Akteurs-Raum-Konstellationen Voraussetzungen für und Folgen von dis- / kohäsivem gesellschaftlichem Zusammenhalt und wie variieren diese Konstellationen im Vergleich zwischen Ost- und Westdeutschland?
Begegnungen wie Zusammenhalt sind räumlich verortet und konstituieren situative Orte (Dirksmeier et al. 2014: 299). Begegnungen finden im Kontext zunehmender Diversität (Vertovec 2007: 1027) sowie pluraler Zugehörigkeiten (Ethnie, Milieu, religiöse und sexuelle Orientierung usw.) in einer modernen Weltgesellschaft statt. Aus diesem Grund wird das Auftreten von Fremdheitserfahrungen und Konflikten wahrscheinlich(er). Daher ist zu untersuchen, wie Begegnungen (kognitiv, affektiv und behavorial) erlebt und gelebt werden sowie welche Deutungsmuster, Erwartungen und Handlungspraktiken hinter diesen Zusammenhaltskonstruktionen stehen. Offen ist, wie in räumlich differierenden Begegnungsorten Aushandlungsprozesse situativer Stratifizierung (Collins 2000: 31) ablaufen, welche Einstellungen und Verhaltensweisen in bestimmten Räumen greifen (Beteiligung am Regionalpanel), voneinander abweichen und zu konstruktiven oder destruktiven Interaktionen oder Haltungen der Indifferenz führen. In diesem Zusammenhang interessiert uns, welche Variablen(-konstellationen) hemmend und fördernd auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt wirken und umgekehrt.
Ziel des Forschungsprojekts ist es, Muster des gesellschaftlichen Zusammenhalts in verschiedenen räumlichen Settings – das heißt verschiedenen Begegnungsorten in urbanen Nachbarschaften (in enger Kooperation mit HAN_F_01) – im Vergleich einer ost- und westdeutschen Stadt am Beispiel von Halle und Hannover empirisch vergleichend zu erforschen, um über den Vergleich Unterschiede und lokale Spezifika der Muster des gesellschaftlichen Zusammenhalts herauszustellen.
Thematischer Bezug zum gesellschaftlichen Zusammenhalt
Gesellschaftlicher Zusammenhalt findet räumlich und zeitlich differenziert statt. Der Ost-West-Vergleich bindet die rahmengebenden Aspekte des Zusammenhalts räumlich verortet in die Analyse von Begegnungen ein. Das Projekt beschäftigt sich deshalb in einer Gegenüberstellung verschieden lokalisierter Begegnungsorte, wie zum Beispiel Jugendheime, Nachbarschaftstreffs, Sportclubs oder Parkanlagen, in Halle (Saale) und Hannover (in Kooperation mit HAN_F_01) mit Begegnungen als basaler Kategorie von Gesellschaft und insbesondere des Zusammenhalts der Gesellschaft (Collins 2000: 31; Dirksmeier et al. 2014: 299, 308 f.; Dirksmeier / Helbrecht 2015: 488, 493 f.). Weil soziale Kohäsion ein mehrdimensionales und graduelles Phänomen ist (Schiefer / van der Noll 2017: 595), sind Interaktionen zwischen Gesellschaftsmitgliedern, ihre geteilten Werte und Normen, soziale wie räumliche Zugehörigkeiten und Bindungen situativ zu untersuchen. Aufgrund unterschiedlicher kultureller Zugehörigkeiten (Vertovec 2007: 1027, 1046) der sich Begegnenden, entstehen Konstellationen, die es für die Entstehung von gesellschaftlichem Zusammenhalt in und durch Begegnungen zu untersuchen gilt (Bertelsmann Stiftung 2019). Diese Konstellationen können, so unsere These, mitunter zwischen ost- und westdeutschen Großstädten variieren.
Das Forschungsprojekt untersucht, wie sich gesellschaftlicher Zusammenhalt räumlich verortet in Begegnungen konstituiert und nimmt dabei individuelle und kollektive Haltungen beziehungsweise Einstellungen zu sich und anderen (via Regionalpanel), Modi individueller und kollektiver Handlungen beziehungsweise Praktiken (via qualitativ-ethnographischer Erhebung), soziale Beziehungen und Netzwerke in ihrer Art, Intensität und Reichweite (in und durch Begegnungslandschaften) sowie institutionelle Zusammenhänge der Kooperation beziehungsweise Integration (öffentliche und nicht-öffentliche Kooperationspartner des Projekts, deren politische Kultur und Medienpräsenz) in den Blick.
Bertelsmann Stiftung 2019: Städte leben Vielfalt. Fallstudien zum sozialen Zusammenhalt, Gütersloh.
Collins, Randall 2000: Situational Stratification: A MicroMacro Theory of Inequality, in: Sociological Theory 18:1, 17-43.
Dirksmeier, Peter; Helbrecht, Ilse 2015: Everyday urban encounters as stratification practices: analysing affects in micro-situations of power struggles, in: City 19:4, 486-498.
Dirksmeier, Peter; Helbrecht, Ilse; Mackrodt, Ulrike 2014: Situational places: rethinking geographies of intercultural interaction in super-diverse urban space, in: Geografiska Annaler B: Human Geography 96:4, 299-312.
Schiefer, David; van der Noll, Jolanda 2017: The Essentials of Social Cohesion: A Literature Review, in: Social Indicators Research 132:2, 579-603.
Vertovec, Steven 2007: Super-Diversity and Its Implications, in: Ethnic and Racial Studies 30:6, 1024-1054.
Prof. Dr. Peter Dirksmeier
Projektmitarbeiter:innen
Dr. Angelina Göb
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06 / 2020 – 05 / 2024:
- Cluster 2: Strukturen, Räume und Milieus des Zusammenhalts
- C2: Raum und Region