Repräsentation revisited. Nach- und Fortleben des Liberalismus
Die geplante Tagung soll in kleinem Rahmen Literatur- und Politikwissenschaftler:innen zusammenführen. Inhaltlich soll es darum gehen, aktuelle politische Auseinandersetzungen in das Licht einer Theorie- und Kulturgeschichte des Liberalismus zu rücken und vor dem Hintergrund geänderter Praktiken der Repräsentation in gegenwärtigen Demokratien zu verstehen. Im Zentrum steht dabei die heute unter neuen Vorzeichen wiederkehrende Frage nach der Legitimität politischer wie kultureller Repräsentation. Auf breiter Front werden klassische Modelle der Stellvertretung und Fürsprecherschaft, wie sie die Ära der liberalen Demokratien geprägt haben, in Zweifel gezogen. Über alle weltanschaulichen Gräben hinweg kommen heutige Protestbewegungen in ihrem Misstrauen gegenüber Mittlerfiguren überein. Ermutigt durch neue Möglichkeiten medialer Mobilisierung, gewinnen Forderungen nach direkter politischer Artikulation unter Umgehung instituierter autoritativer Zwischeninstanzen (Parlamente, Parteien, Amtsträger, Gatekeeper, Experten) an Gewicht. Auf der anderen Seite leistet die Diagnose eines Unvermögens demokratischer Repräsentation Modellen einer unpolitischen, rein sachbezogenen Stellvertreterschaft Vorschub (Epistemisierung der Politik, ‚Follow the Science‘). Neben die verstärkt identifikatorische Besetzung politischer Anliegen und Interessenbündnisse (‚deskriptive Repräsentation‘ als Input-Legitimation) rücken Visionen einer vollständigen, auf Output-Legitimation gegründeten Expertokratie – ergänzt um die Erwartung, durch ‚citizen science‘ ließen sich das Identifikatorische und das Szientistische irgendwie harmonisch re-kombinieren.
Diese inzwischen geläufige Lagebeschreibung kann in drei Hinsichten zum Ausgangspunkt dienen. Zum einen macht sie es erforderlich, das systematische Verhältnis zwischen vier Begriffen und ihrem jeweiligen praxeologischen Einzugsbereich neu zu kartieren: Repräsentation, Partizipation, Artikulation und Identifikation. Zum zweiten sind begründete Einschätzungen dahingehend gefragt, ob man es hier mit eher kurzwelligen Entwicklungen zu tun hat – als Ausdruck eines historisch mit einer gewissen Regelmäßigkeit wiederkehrenden Aufbegehrens gegen systemische Mängel und festgefahrene Machtstrukturen – oder um einen sich abzeichnenden Bruch von epochaler Tragweite (und was daraus jeweils zu folgern sein würde). Drittens schließlich scheint es lohnend, die Umstände, die zur aktuellen Krise liberaler Institutionen geführt haben, mit den Bedingungen ihres historischen Erfolgs abzugleichen.
Die Tagung wird von Albrecht Koschorke unter Mitwirkung von Philip Manow veranstaltet.
Die Tagung ist öffentlich. Nach Abschluss der Planung wird das genaue Programm online gestellt.
Eine ausführliche Fassung des Konzepts findet sich hier (PDF).