Das Elternhaus als gesellschaftlicher Mikrokosmos: Intergenerationale Transmission von Einstellungen zu Zusammenhalt
BIE_F_03 – Bielefeld
Zielsetzung / Fragestellung
Eine Vielzahl empirischer Studien der Soziologie, Politwissenschaft, Erziehungswissenschaften und Psychologie belegt die hohe Bedeutung elterlicher Sozialisation für soziale und politische Einstellungen bis ins Erwachsenenalter (vgl. z.B. Glass et al. 1986). Ziel des Teilprojekts ist die empirische Untersuchung des Einflusses von Erfahrungen im Elternhaus auf Einstellungen zum gesellschaftlichen Zusammenhalt. Dieser Einfluss wird zum einen als direkte Transmission zum Beispiel von positiven Einstellungen gegenüber Gesellschaftsmitgliedern oder auch Praktiken mit einem Gemeinschaftsbezug von Eltern- auf Kindergeneration betrachtet (Arbeitspaket 1). Hierzu kann zum Beispiel die Untersuchung der intergenerationalen Stabilität in Einstellungen und Haltungen gegenüber dem eigenen Gemeinwesen gehören, aber auch die Vermittlung kollektiv geteilter Gefühl der Zusammengehörigkeit (vgl. z.B. Jennings & Niemi 1981). Zum anderen soll ein indirekter Einfluss untersucht werden, in dem Kinder durch die gelebte Interaktion von Eltern und Geschwistern gelingenden Zusammenhalt im Mikrokosmos Familie erlernen (Arbeitspaket 2). Dazu können zum Beispiel erlebte Konfliktregulation und der Umgang mit divergierenden Ansichten in Familien gehören, die sich langfristig in unter anderem in positiven Einstellungen gegenüber Gesellschaftsmitgliedern der erwachsenen Kinder äußern (vgl. bereits Adorno et al. 1950).
Thematischer Bezug zu gesellschaftlichem Zusammenhalt
Wissen zur Herstellung gesellschaftlichen Zusammenhalts zu generieren ist eine der Aufgaben des FGZ, die in zentraler Weise auf Untersuchungen zur Entwicklung von Einstellungen sowie Praktiken des Zusammenhalts auf Ebene der individuellen Mitglieder einer Gesellschaft aufbaut. Zu diesem Ziel will das Teilprojekt beitragen, indem es sich mit elterlicher Sozialisation als eine zentrale Determinante von Einstellungen widmet. Der Gründungsantrag des FGZ verweist in diesem Zusammenhang auf die „soziale[n] Beziehungen und Praktiken auf der Mikroebene, die Formen sozialen Zusammenhalts generieren. Dazu gehören Formen des Zusammenlebens und -arbeitens in kleinräumlichen Kontexten, etwa Betrieben und Familien, in Nachbarschaften und anderen sozialräumlich variierenden Lebensumfeldern“. Das Elternhaus wird im Rahmen dieses Bielefelder Teilprojekts als Mikrokosmos verstanden, in dem Kinder und Jugendliche Zusammenhalt erlernen. Im Fokus stehen hierbei die langfristigen Effekte von elterlicher Sozialisation, die bis ins Erwachsenenalter wirken.
Literaturverzeichnis
Adorno, Theodor W.; Frenkel-Brunswik, Else; Levinson, Daniel J.; Sanford, Nevitt R. 1950: The Authoritarian Personality, New York.
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Bisher erschienen
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Prof. Dr. Martin Kroh
Prof. Dr. Simon Kühne
Projektmitarbeiter:innen
Paulo Emilio Isenberg Lima
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06 / 2020 – 05 / 2024:
- Cluster 2: Strukturen, Räume und Milieus des Zusammenhalts
- C2: Milieu und soziale Ungleichheiten