Von alternativen Vorstellungen von Ehrlichkeit zu alternativen Fakten
Vortrag
Zum Vortrag
Die Verbreitung von Desinformation in sozialen Medien wird zunehmend als Problem für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Demokratie wahrgenommen. Die Rolle von Politiker*innen in diesem Prozess wurde allerdings bisher weniger erforscht. Durch die Analyse der Kommunikation von Mitgliedern des US-Kongresses auf Twitter zwischen 2011 und 2022 wird gezeigt, dass die Auffassung von Ehrlichkeit bei Politiker*innen eine deutliche Verschiebung erfahren hat: Emotions- und intuitionsbasierte Kommunikationsmuster, die von objektivierbaren Fakten abgekoppelt sind, rücken — im Vergleich zu evidenzbasiertem Sprechen über Fakten — zunehmend in den Vordergrund. Die Ergebnisse stimmen mit der Hypothese überein, dass die derzeitige Verbreitung von Fehlinformationen im politischen Diskurs mit einem alternativen Verständnis von Wahrheit und Ehrlichkeit zusammenhängt, das die Berufung auf subjektive Überzeugungen auf Kosten des Vertrauens auf Beweise betont.
Zur Person
Dr. Jana Lasser ist Professorin für Datenanalyse an der Universität Graz, wo sie die Forschungsgruppe Complex Social & Computational Systems am interdisziplinären Zentrum IDea_Lab leitet, sowie Associate Faculty am Complexity Science Hub Vienna. Sie erforscht emergente Phänomene in komplexen sozialen Systemen, wobei sie Methoden des maschinellen Lernens, der Datenwissenschaft, der Verarbeitung natürlicher Sprache und der computergestützten und statistischen Modellierung einsetzt, um zu verstehen, wie sich Menschen in sozio-technischen Umgebungen verhalten. Ihre aktuellen Forschungsinteressen umfassen die Effektivität von Counterpeech-Strategien und die Verbreitung von Fehlinformationen auf Social-Media-Plattformen, die Veränderung des gesellschaftlichen Verständnisses von „Ehrlichkeit“ und die Auswirkungen von Social-Media-Empfehlungsalgorithmen auf die Gesellschaft.
Moderation: PD Dr. Jan-Hinrik Schmidt
Die Veranstaltung findet auf Englisch statt.