Entkoppelte Lebenswelten? Soziale Beziehungen und gesellschaftlicher Zusammenhalt in Deutschland
Corona-Pandemie, Ukrainekrieg, Klimawandel: Der Alltag der Menschen in Deutschland ist derzeit von zahlreichen Krisen und Konflikten geprägt. Neben der Sorge über die langfristigen Auswirkungen dieser Krisen, durch die nicht wenige ihre persönliche Existenzgrundlage bedroht sehen, rückt die Sorge um den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland zunehmend in den Vordergrund. In der Öffentlichkeit scheinen die Meinungen darüber, wie diese Herausforderungen zu bewältigen sind, auseinanderzugehen. Verschiedene gesellschaftliche Gruppen, so der Tenor, stehen sich mit ihren Haltungen schier unversöhnlich gegenüber. Die Rede ist von einer Polarisierung der deutschen Gesellschaft – wobei das Bild, das sich aus sozialwissenschaftlichen Umfragedaten ergibt, deutlich weniger polarisiert erscheint als viele hitzig geführte mediale Debatten.
Häufig wird als einer der Gründe für diese Entwicklung angeführt, dass zwischen unterschiedlichen sozialen Gruppen kaum mehr Berührungspunkte existieren, sie unter sich bleiben und sich in alltagsweltlichen „Blasen“ bewegen. Eine solche „Entkopplung“ sozialer Netzwerke und Lebenswelten kann nicht nur dazu führen, dass sich Einstellungen und Meinungen in einseitige oder gar extreme Richtungen entwickeln. Sie kann neben „ideologischen“ und „affektiven Polarisierungen“ auch schlicht zu Ignoranz, Un- und Missverständnissen zwischen sozialen Gruppen führen, die sich wechselseitig kaum mehr kennen und wahrnehmen.
Was ist dran an diesen populären Vermutungen und Zeitdiagnosen? Bisher konnte die Wissenschaft aufgrund mangelnder Datengrundlage keine belastbaren Antworten auf die Frage einer Entkopplung sozialer Lebenswelten bieten. Erstmals konnten nun repräsentative Daten zu Fragen des gesellschaftlichen Zusammenhalts und zur Zusammensetzung der Bekanntenkreise in Deutschland für eine langfristig angelegte Zusammenhaltsstudie (German Social Cohesion Panel) des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ) erhoben werden. Die Befunde werden nun im ersten FGZ-Zusammenhaltsbericht veröffentlicht.
Am Parlamentarischen Abend sollen die Ergebnisse des FGZ-Zusammenhaltsberichts präsentiert und sich mit der Frage beschäftigt werden, was die Politik auf der Basis dieser Befunde tun kann, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt nachhaltig zu stärken. Was ist verschiedenen Menschen in Deutschland eigentlich besonders wichtig im Zusammenleben miteinander, welche sozialen Gruppen bleiben bevorzugt „unter sich“ und welche Schlüsse kann die Politik daraus ziehen, um zielgerichtete, den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördernde Maßnahmen zu entwickeln? Braucht es Maßnahmen zu einer stärkeren „sozialen Mischung“? Wie kann die Verständigung zwischen unterschiedlichen sozialen Milieus gefördert werden?
Prof. Dr. Olaf Groh-Samberg, Universität Bremen, wird in das Thema des Abends einführen, gefolgt von einer Diskussionsrunde mit Prof. Dr. Daniela Grunow, Goethe-Universität Frankfurt, und Prof. Dr. Andreas Zick, Universität Bielefeld. Anschließend stehen die Wissenschaftler:innen für die Beantwortung Ihrer Fragen zur Verfügung.
Programm
- Grußwort von Dr. Jens Brandenburg, MdB (Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung)
- Bleiben soziale Gruppen in Deutschland eher unter sich? Welche Folgen hat das für den gesellschaftlichen Zusammenhalt? Prof. Dr. Olaf Groh-Samberg (Universität Bremen, Sprecher des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt)
- Diskussion mitProf. Dr. Olaf Groh-Samberg, Prof. Dr. Daniela Grunow (Goethe-Universität Frankfurt, Co-Sprecherin des Frankfurter Standorts des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt) und Prof. Dr. Andreas Zick (Universität Bielefeld, Projektleiter am Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt)
- Moderation: Rebecca C. Schmidt (Goethe-Universität Frankfurt, Administrative Geschäftsführerin des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt)
Im Anschluss laden wir dazu ein, die Gespräche im Rahmen eines Empfangs fortzusetzen.
Eine Teilnahme am Parlamentarischen Abend ist nur auf persönliche Einladung hin möglich.